European Green Deal Kliniken streben Klimaneutralität an

Der European Green Deal umfasst verschiedene Initiativen, mit denen die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll. (Foto: Eakkachai)
Der European Green Deal umfasst verschiedene Initiativen, mit denen die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll. (Foto: Eakkachai)

2020 verständigten sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten auf den sogenannten European Green Deal, welcher auf den 17 UN Sustainable Development Goals (SDG’s) basiert. Der Green Deal ist eine politische Initiative, unter welcher sich Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent entwickeln will. Der Green Deal soll die EU zukunftsfest aufstellen, indem wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Ziele miteinander verwoben werden. Dazu gehören eine nachhaltige Finanzpolitik, die Priorisierung der Kreislaufwirtschaft, die nachhaltige Ausrichtung der Landwirtschaft, eine saubere Industrie sowie umfassende Umweltschutzmaßnahmen. Um die klimaneutrale Ausrichtung des Kontinents zu erreichen, bedarf es Richtlinien in sämtlichen Wirtschaftsbereichen, die wiederum auf nationaler Ebene zu neuen Gesetzen bzw. Gesetzesänderungen führen, von denen dann beispielsweise deutsche Krankenhäuser direkt oder auch indirekt betroffen sind.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der European Green Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor.
  • Die Umsetzung erfolgt durch zahlreiche neue Gesetze, Gesetzesänderungen und Richtlinien.
  • Deutsche Einrichtungen des Gesundheitswesens verpflichten sich, mit dem Klimapakt Gesundheit einen Beitrag zur Klimaneutralität bis 2045 zu leisten.
  • Kliniken setzen unterschiedliche Maßnahmen zum Ressourcen- und Klimaschutz um.
  • Klinikverbände fordern von der Politik u. a. gesetzliche Rahmenbedingungen und finanzielle Mittel für Klimaschutzmaßnahmen.

Der European Green Deal umfasst verschiedene Initiativen, mit welchen die EU-Mitgliedstaaten bis 2050 Klimaneutralität erreichen und damit ihren Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris nachkommen wollen:

  • Europäisches Klimagesetz inkl. Maßnahmenpaket „Fit for 55“
  • EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel
  • die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030
  • Umstellung des europäischen Lebensmittelsystems mit der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie
  • Europäische Industriestrategie
  • Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
  • Neue Europäische Batterie-Verordnung
  • Mechanismus für einen gerechten Übergang
  • Fokus auf erneuerbare, kostengünstige und sichere Energiequellen
  • EU-Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien
  • EU-Waldstrategie für 2030

Gesetze, Maßnahmen und Strategien des europäischen Klimaschutzes

Mit Beschluss des European Green Deals wurden bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt bzw. gesetzliche Grundlagen geschaffen. Mit dem Europäischen Klimagesetz werden die langfristigen Klimaziele der EU bis 2050 festgelegt. Die konkreten Maßnahmen dafür sind im sogenannten „Fit for 55“-Klimaschutzpaket festgelegt. Das „Fit for 55“-Paket soll die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 55 Prozent zu senken. Dafür sind innerhalb des Klimaschutzpakets verschiedene Maßnahmen zusammengefasst, die den Emissionshandel langfristig als wichtiges Element zur Erreichung der Klimaziele der EU etablieren sollen:

  • Maßnahmen aus dem Emissionshandel für neue Sektoren und strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems (EHS) der EU, u. a. für den Einsatz der Versteigerungseinnahmen im Emissionshandel,
  • die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien,
  • mehr Energieeffizienz,
  • die schnellere Einführung emissionsarmer Verkehrsträger sowie entsprechender Infrastruktur und Kraftstoffe,
  • globale Maßnahmen zur Prävention der Verlagerung von CO2-Emissionen,
  • die Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des European Green Deal sowie
  • Instrumente zur Erhaltung und Vergrößerung unserer natürlichen CO2-Senkung.

All diese gebündelten Maßnahmen sollen so umgesetzt werden, dass ein sozial gerechterer Übergang für die Gesellschaft gewährleistet werden kann, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie ausgebaut und bestärkt wird und gleichzeitig die Europäische Union ihre Vorreiterrolle im Bereich Umwelt- und Klimaschutz untermauert. Deutschland stellt sich selbst ambitionierte Klimaziele: Die Netto-Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 65 Prozent reduziert und die Klimaneutralität soll bereits 2045 erreicht werden. Das vorgeschlagene Paket zielt dabei darauf ab, die EU-Rechtsvorschriften mit dem Ziel für 2030 in Einklang zu bringen.

Zusätzlich zum Maßnahmenpaket des Klimaschutzgesetzes haben sich die Umweltministerinnen und-Minister der Europäischen Union im Juni 2021 bezüglich einer EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel geeinigt. Dabei wurden konkrete Maßnahmen festgelegt, mit denen die EU sich bis 2050 zu einer klimaresilienten Gesellschaft entwickeln soll. Im März 2022 hat der Europäische Rat die Klimawandel-Strategie bezüglich des Katastrophenschutzes nach Extremwetterereignissen infolge des Klimawandels angepasst und die Katastrophenschutzsysteme in den Schwerpunkten Prävention, Vorsorge, Reaktion und Wiederaufbau erweitert. Damit sind Kliniken und Gesundheitseinrichtungen als Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung verpflichtet, Katastrophenhilfe zu leisten und sind damit von den Anpassungen im Bereich Reaktion direkt betroffen.

Emissionshandel schafft Grundlage für Klimaschutzmaßnahmen

Gemäß der Lastenverteilungsverordnung sind für alle EU-Mitgliedsstaaten jährliche verbindliche CO2-Budgets für die unterschiedlichen Sektoren festgelegt, die nicht durch den europäischen Emissionshandel erfasst werden. Hierzu gehört neben kleineren Industrieanlagen und der Landwirtschaft auch die Abfallwirtschaft. Diese Sektoren sind, um den Umweltschutzbemühungen des Green Deals Rechnung zu tragen, verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Überschreiten Mitgliedsstaaten das für sie festgelegte CO2-Budget, drohen hohe Geldstrafen. Dieser Druck auf die Staaten soll dafür sorgen, dass die Regierung die Umsetzung nationaler Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen vorantreibt.

In Deutschland wurde zur Reduzierung von Emissionen das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eingeführt, welches über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr verfügt. Im November 2022 trat eine Novelle des Gesetzes in Kraft, die seit dem 1. Januar 2024 auch Kohle und thermisch verwertete Abfälle (§§ 2, 2a BEHG) miteinbezieht. Zudem wurden die Abgaben pro Tonne CO2 bereits Anfang 2024 erhöht und auch 2025 wird es eine weitere Erhöhung der √-Bepreisung geben. Damit schafft die Bundesregierung den vollständigen Rechtsrahmen zur Bepreisung sämtlicher fossilen Brennstoffe, die vom nationalen Emissionshandel erfasst werden. Krankenhäuser tangiert diese Novelle indirekt, da die CO2-Bepreisung Einfluss auf die Preisentwicklung bei den Entsorgern und Kommunen nehmen wird, von der auch Kliniken zukünftig betroffen sein werden.

Klimapakt Gesundheit verpflichtet zum Klimaschutz

Im Dezember 2022 unterzeichneten Vertreterinnen und Vertreter der Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach den „Klimapakt Gesundheit“. Damit verpflichten sich die medizinischen Einrichtungen, einen Beitrag zur Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 zu leisten. Im Fokus stehen die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten des Gesundheitswesens für die Ziele des Klimaschutzgesetzes und die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Klimawandels sowie den daraus resultierenden notwendigen Anpassungen aktiv zu begegnen. Dies wird umgesetzt durch einen effizienten Ressourceneinsatz, energetische Sanierung, Nutzung nachhaltiger Beschaffungswege, erneuerbare Energien und ein nachhaltiges Abfallmanagement. Zusätzlich schützen Maßnahmen aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz auch die Gesundheit der Bevölkerung, weshalb auch dieser Aspekt innerhalb des „Klimapaktes Gesundheit“ festgehalten ist.

Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

Mit dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Kommission ein umfassendes Programm aufgestellt, mit welchem die europäische Wirtschaft bis 2050 klimaneutral werden soll. So sollen in den kommenden Jahren Abfälle reduziert, Recycling gefördert und Ressourcen geschützt werden. Essenziell für das Gesundheitswesen als eine der größten abfallproduzierenden Branchen sind die Einsparung von Abfällen und das Erreichen einer möglichst hohen Verwertungsquote. Hier gibt es bereits zahlreiche Projekte und Ideen – wie die Verwendung von Rezyklat-Behältern oder das Recycling von Narkosegasen – die nachhaltige Entwicklungen in den Kliniken vorantreiben. Krankenhäuser tangiert unter diesem Zielbild u. a. auch die europäische Richtlinie zum „Recht auf Reparatur“, die im Juli 2023 in Kraft getretene EU-Batterieverordnung sowie die Einigung des Europäischen Rats im Dezember 2023 zur „allgemeinen Ausrichtung“ der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle.

Die deutsche Bundesregierung hat am 4. Dezember 2024 eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) beschlossen, die sich explizit am Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft orientiert. Leitprinzipien wie die Reparierbarkeit von Produkten oder bestimmte Zielwerte wie die Verdopplung von Recyclingrohstoffen bis 2030 werden darin mitunter übernommen. In Teilen ist die NKWS sogar noch ambitionierter. So soll in Deutschland beispielsweise der Pro-Kopf-Verbrauch von Primärrohstoffen bis 2045 von derzeit rund 16 Tonnen auf sechs bis acht Tonnen im Jahr reduziert werden.

Erneuerbare Energien im Zeichen des European Green Deals

Ein entscheidender Aspekt im Rahmen des European Green Deals ist die Fokussierung auf erneuerbare Energiequellen, denn diese gelten als zentrale Säulen der Energiewende. Grundlage für die Umsetzung ist die Novelle des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG), welche im Januar 2023 in Kraft trat. Mit dem EEG 2023 ist die deutsche Energiepolitik erstmals auf das Erreichen der 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet. Dabei legt die Novelle fest, dass mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs bis 2030 aus erneuerbaren Energien stammen soll. In Kliniken besteht hier durchaus noch Optimierungsbedarf: Das Gutachten „Klimaschutz in deutschen Krankenhäusern: Status quo, Maßnahmen und Investitionskosten“ des Deutschen Krankenhausinstituts belegt, dass das Energiemanagement bei 63 Prozent der befragten Kliniken ausbaufähig ist. Die Ergebnisse zeigen insbesondere Potenzial für den Einsatz von erneuerbaren Energien.

Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nimmt Einfluss auf Kliniken

Ursprünglich sollten ab dem 1. Januar 2025 erstmals Unternehmen und damit auch vielen Krankenhäuser verpflichtet zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sein, die zwei der der folgenden drei Merkmale erfüllen: Bilanzsumme größer als 20 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse größer als 40 Mio. Euro sowie mindestens 250 Beschäftigte. Gestoppt wurde die Berichtspflicht vorerst durch den Omnibus-Vorschlag der EU-Kommission im Februar 2025. Dieser Vorschlag beinhaltet zwei Richtlinie, die die Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinfachen sollen. Hier ist zu beachten, dass es sich bei dem Omnibus-Vorschlag bis dato nicht um finales EU-Recht handelt. Der Vorschlag betrifft den Anwendungsbereich der CSRD: Berichterstattungspflichtig sollen danach Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro oder einem Umsatz von über Millionen Euro sein. Hinzukommt die „Stop-the-clock“-Richtlinie, die Erstanwendungszeitpunkte für solche Unternehmen um zwei Jahre nach hinten verschiebt, die eigentlich ab 2025 zur Berichterstattung verpflichtet gewesen wären. Krankenhäuser sind aktuell damit im Regelfall nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, berichten aber in einigen Fällen bereits freiwillig, da sie die Berichtsstrukturen in den letzten Jahren bereits ausgearbeitet haben. Darunter beispielsweise das ISAR-Klinikum in München.

Krankenhäuser als Treiber des Klimaschutzes

Kliniken sind nicht nur zu Klimaschutz-Maßnahmen verpflichtet, sondern in vielen Bereichen auch Treiber des Ausbaus dieser Maßnahmen. Basierend auf dem Austausch in Arbeitsgruppen, Netzwerken oder Verbänden verschiedener Einrichtungen werden eine Vielzahl von Maßnahmen und Pilotprojekten angeschoben. Verbände, wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft, treten für Anpassungen im Bereich Klimaschutz im Krankenhaus auch direkt an die Politik heran und fordern unter anderem gesetzliche Rahmenbedingungen für Klimaschutzmaßnahmen im Gesundheitswesen – um deren Planbarkeit zu erhöhen – sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Umsetzung von Projekten. Konkret wird hier die Erweiterung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes um einen neuen § 14c Krankenhaus-Klimaschutzfonds gefordert.

Quellen

Der European Green Deal umfasst verschiedene Initiativen, mit denen die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll. (Foto: Eakkachai)
Der European Green Deal umfasst verschiedene Initiativen, mit denen die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll. (Foto: Eakkachai)