Ob in der Kaffeeküche, den Waschräumen oder am OP-Tisch – wo immer es möglich ist, achtet das ISAR Klinikum auf nachhaltige Produkte, um Ressourcen zu schonen und Abfälle zu vermeiden. Das belegen auch die Zahlen: Durch die Umstellung einzelner Produkte konnten bestimmte Abfallmengen um bis zu 66 Prozent reduziert werden. Um solche Ergebnisse zu erzielen, setzen Agnes Höferle und ihr Team auf ein umfassendes Abfalltrennkonzept, verschiedene Rücknahmesysteme und Anpassungen im Energiemanagement. Das Bemühen um Nachhaltigkeit ist seit mehr als einem Jahrzehnt fest in der Unternehmensphilosophie des ISAR Klinikums verankert.
Zur Person: Agnes Höferle
- seit Dezember 2023 Nachhaltigkeitsmanagerin – ISAR Klinikum
- seit Februar 2023 Betriebsbeauftragte für Abfallmanagement – ISAR Klinikum
- Oktober 2019-November 2023 Referentin für Qualitätsmanagement – ISAR Klinikum
- Juni 2017-Oktober 2019 Qualitätsmanagement- und Datenschutzbeauftragte – Seniorenzentrum Bethel München gGmbH
- Oktober 2013-März 2017 Bachelor of Science Management in der Gesundheitswirtschaft – Technische Hochschule Rosenheim
Frau Höferle, eine ressourcenschonende Gesundheitsversorgung gilt im ISAR Klinikum als essenziell – aber warum hat man sich entschieden, Nachhaltigkeit zur Priorität zu machen?
Der Startschuss für all unsere Projekte fiel bereits 2012 im Beschaffungswesen und hat sich von dort aus auch auf alle anderen Bereiche unseres Hauses ausgeweitet. Unser erstes Projekt war das „BVBG Gütesiegel Einkauf – Partnerschaftliche und nachhaltige Beschaffung“ vom Bundesverband der Beschaffungsinstitutionen in der Gesundheitswirtschaft Deutschland e. V. Dafür haben wir unser Beschaffungswesen unter anderem auf ressourcenschonende oder verpackungsarme Produkte umgestellt. Im Vergleich mit anderen Häusern sind wir durch unsere jahrelange Erfahrung, beispielsweise bei der Klimabilanzierung oder derNachverfolgung der Lieferketten, im Vorteil, denn wir können auf bereits bestehende Strukturen zurückgreifen. Nachhaltigkeit wurde für uns über die Jahre immer wichtiger und ist heute ein bedeutender Teil unserer Unternehmensphilosophie. Als Beauftragte der Stabsstelle Nachhaltigkeit, welche im Herbst 2021 durch meine Vorgängerin gegründet wurde, treibe ich unser großes Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, gemeinsam mit unserem 17-köpfigen Green Team weiter voran. Dabei orientieren wir uns am Leitbild des Bundeslandes Bayern.
Berichterstattung ohne CSRD-Pflicht
Sie haben das Thema Bilanzierung angesprochen: Wie ist das ISAR Klinikum hier aufgestellt?
Wir bilanzieren bereits seit 2022 unsere Treibhausgasemissionen und können – wie bereits erwähnt – auf unsere seit vielen Jahren bestehenden Strukturen zurückgreifen. So lassen sich natürlich relativ leicht verschiedene Hebel identifizieren, wo wir mit Maßnahmen ansetzen können oder vielleicht auch müssen, um Ressourcen einzusparen. Aktuell bereiten wir uns, auch wenn wir nach dem Omnibus-Vorschlag nicht mehr berichtspflichtig wären, auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Wir wollen einen eigenen, an die CSRD-angelehnten Bericht erstellen, um transparent über unsere nachhaltigen Projekte zu berichten. In Vorbereitung auf die Berichterstattung haben wir uns im vergangenen Jahr sehr detailliert mit der ganzen Thematik auseinandergesetzt und nutzen diese Erkenntnisse jetzt als Basis für unseren eigenen Bericht.
Ressourcen- und Umweltschutz im Krankenhaus
Welche übergeordneten Ziele verfolgt das Klinikum im Bereich Ressourcenschutz und Umweltbewusstsein?
Wir versuchen in nahezu allen Bereichen und Abteilungen so viele Ressourcen wie möglich einzusparen. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgen wir ein vielfältiges Maßnahmenpaket. Aktuell wollen wir unser gesamtes Energiemanagementtransformieren, was wir uns im Juni 2025 auch entsprechend zertifizieren lassen werden. Wir nutzen beispielsweise schon jetzt zu 100 Prozent Ökostrom, setzen immer stärker auf Bewegungsmelder sowie Wassersparsysteme, optimieren die Einstellungen unserer technischen Anlagen zur Klimatisierung und prüfen unter fachlicher Beratung vielfältige Möglichkeiten zur Wärmerückgewinnung. Zudem versuchen wir, unsere Abfallmengen möglichst zu reduzieren. Unser strategischer Einkauf achtetbeispielsweise darauf, dass Produkte langlebig, qualitativ hochwertig, reparaturfähig und besonders verpackungsarm sind. Ein gutes Beispiel sind die Stapler in unseren Operationssälen: Üblicherweise wird ein solches Gerät nach einmaliger Nutzung direktverworfen. Mit dem Austausch des Tacker-Aufsatzes können wir das Gerät jetzt bis zu 300 Mal verwenden und die Abfallmenge so um bis zu 66 Prozent reduzieren. Das spart sowohl materielle als auch finanzielle Ressourcen.
Woher kommen die Ideen für nachhaltige Produktalternativen bzw. wie sind die Mitarbeitenden des ISAR Klinikums in diesen Prozess eingebunden?
Ideen für ressourcenschonende Produkte speisen sich aus der täglichen Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen. Unsere Mitarbeitenden können nachhaltige Materialien, Werkzeuge oder Produkte über unser internes digitales „Ideenwesen“ vorschlagen oder auch Problemfelder identifizieren, für die es zukünftig Lösungen braucht. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass der kurze Dienstweg gegangen wird und mir auf dem Flur oder im Pausenraum Ideen zugeworfen werden. Erst kürzlich hat mich beispielsweise ein Kollege angesprochen und mir von einer nachhaltigen Abfallbehälter-Alternative erzählt, die vielleicht etwas für uns sein könnte. Und auch unser Green Team, welches mit Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege, Ärzteschaft, Küche, Sterilisationsabteilung, dem Einkauf, aber auch aus der Verwaltung sehr interdisziplinär aufgestellt ist, bringt immer wieder Ideen ein. Wir prüfen dann, ob wir die Vorschläge umsetzen können, Produkte wirklich gebraucht werden und schlussendlich auch finanzierbar sind. Wir sehen den Einkauf aber im Gesamten: Sollte ein Alternativ-Produkt beispielsweise teurer als das konventionelle Produkt sein, aber das Abfallvolumen deutlich reduzieren oder aus einem nachhaltigen Rohstoff hergestellt sein, kann dies die Kaufentscheidung durchaus positiv beeinflussen. Oft bieten gerade diese Produkte die Möglichkeit, Energie- und Wasserkosten einzusparen, womit sich ihre Anschaffung auch finanziell rechtfertigen lässt.
Digitalisierung vereinfacht Entsorgungsprozesse
Wie ist das Abfallmanagement am ISAR Klinikum aufgebaut?
Wir begreifen das Abfallmanagement als einen wichtigen Bereich, um uns langfristig nachhaltig aufzustellen. Neben der klassischen Entsorgung medizinischer Abfälle gemäß ihrer spezifischen Abfallschlüssel setzen wir auch bei allen anderen Abfällenauf eine sehr konsequente Abfalltrennung. Aktuell trennen wir bereits über 30 verschiedene Abfallarten, die wir u. a. über verschiedene Rücknahmesysteme in den Rohstoffkreislauf zurückgeben. Auch medizinische Abfälle werden teilweise aufbereitet, damit sie recycelt werden können. Darüber hinaus versuchen wir natürlich so viele Abfälle wie möglich einzusparen.
Das Abfallmanagement spielt aber nicht nur intern eine große Rolle, sondern auch unsere Patientinnen und Patienten sind sich dem Potenzial des Abfallmanagements bewusst. Im Rahmen unserer Patientenbefragung thematisieren wir das Thema Nachhaltigkeit: Knapp über 80 Prozent der Patientinnen und Patienten, die an der Umfrage teilgenommen haben, identifizieren das Abfallmanagement als wichtigsten Einflussbereich in Sachen Ressourcenschutz, gefolgt vom Energiemanagement, der Motivation der Mitarbeitenden sowie der richtigen Kommunikation.
Welche Rolle spielen innovative Technologien oder Verfahren in Ihrem Abfallmanagementsystem?
Bis vor Kurzem habe ich zur Organisation unserer Abholungen und auch für die Auswertung am Ende des Jahres nahezu alles per Telefon und E-Mail abgewickelt und in Excel-Listen und PDFs festgehalten. Jetzt stellen wir aber auf ein digitales System um, wo alles gebündelt bearbeitet wird. Das macht natürlich vieles einfacher, vor allem wenn Kolleginnen und Kollegen mich vertreten sollen. Und auch der jährliche Abfallbericht, den ich bis dato immer sehr aufwendig manuell zusammengestellt habe, ist jetzt mit wenigen Klicks erstellt. Das Tool ist speziell auf das Gesundheitswesen ausgerichtet und wir können darüber Entsorgungen verwalten, Daten administrieren, Abfallmengen analysieren sowie Rechnungen und Wiegescheine miteinander vergleichen.
ISAR Klinikum setzt im Abfallmanagement auf Rücknahmesysteme
Sie sprachen davon, dass Sie verschiedene Rücknahmesysteme nutzen, um Rohstoffe in den Kreislauf zurückzugeben. Welche Abfälle werden in solchen Systemen recycelt?
Kaffeekapsel, Papierhandtücher und Narkosegasfilter – aktuell nutzen wir für diese und 5 weitere „Abfälle“ spezielle Rücknahmesysteme. Dabei handelt es sich nicht nur um herstellerspezifische Rücknahmesysteme, sondern wir geben verschiedene Geräte u. ä. auch an Reseller, die Produkte aufbereiten und erneut verkaufen. Unsere Kaffeemaschinen haben wir beispielsweise auf Kapselmaschinen umgestellt und nutzen hier das Rücknahmesystem von Nespresso, was vielen wahrscheinlich von zu Hause bekannt ist. Die Kapseln werden in den Wertstoffkreislauf zurückgegeben und aus den aufbereiteten Rohstoffen werden Fahrradrahmen hergestellt. In unseren Waschräumen setzen wir auf recycelte Papiertücher, die zu 70 Prozent aus Altfasern bestehen. Wir sammeln die verwendeten Tücher und geben sie an den Hersteller zurück, der daraus neue produziert.
Spezifisch für den medizinischen Bereich nutzen wir u. a. ein sehr innovatives Verfahren zur Aufbereitung von Narkosegasen. Spezielle Kokosfaser-Filter fangen die ausgeatmeten Narkosegase auf, welche mithilfe eines besonderen Verfahrens aufbereitet werden. So gelangen die Gase, die um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2 sind, nicht in die Atmosphäre. Darüber hinaus nutzen wir weitere Rücknahmesysteme und Projekte, die beispielsweise ausgediente Medizinprodukte für die Forschung oder zum Verkauf im EU-Ausland aufbereiten oder auch das Herzkatheterrecycling von REMONDIS Medison.
Welche Herausforderungen haben Sie bei der Einführung der Rücknahmesysteme und anderer Maßnahmen erlebt?
Jedes neue Rücknahmesystem braucht auch eine neue Entsorgungsstelle. Dafür müssen Räume geschaffen und Mitarbeitende entsprechend geschult werden. Als behördlich bestellte Betriebsbeauftragte für Abfall bin ich hier immer in enger Absprache mit der Leitung der Reinigung und der Logistik, die auch ausgebildete Abfallbeauftragte sind. Gerade diese beiden Bereiche sind von neuen Trennkonzepten o. ä. natürlich direkt betroffen und müssen ihre Mitarbeitenden entsprechend aufklären. Damit auch neue Mitarbeitende direkt wissen, wie das Abfallmanagement bei uns funktioniert, nehme ich an den Einführungsveranstaltungen teil und wir haben zusätzlich alle wichtigen Informationen für all unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in entsprechenden Schulungen und unserer Abfallbibel aufbereitet. Natürlich führen wir auch regelmäßige Begehungen durch. Wir wollen die Bedeutung der richtigen Entsorgung deutlich machen und das gelingt uns in der Regel ganz gut. Abfallmanagement ist bei uns ein gelebtes System und wir versuchen natürlich, uns stetig zu verbessern und neue nachhaltige Entsorgungswege zu finden.
Nachhaltige Zukunft des ISAR Klinikums
Gibt es geplante Erweiterungen oder neue Projekte im Bereich Nachhaltigkeit und Abfallreduktion?
Auch wenn wir immer an neuen Projekten zur Trennung oder dem Recycling von Abfällen interessiert sind, müssen wir natürlich schauen, was noch möglich ist – irgendwann ist auch bei uns der Raum begrenzt. Neben der Optimierung unseres Energiemanagements soll zukünftig vor allem auch die Küche im Fokus stehen. Wir wollen die Bioquote erhöhen und den Speiseplan ressourcenschonender gestalten. Dafür haben wir erst kürzlich eine Analyse durchgeführt, die uns helfen soll, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Diese Ergebnisse wollen wir nutzen, um unsere Speisen- und Einkaufsplanung, aber auch unser Bestellsystem zu optimieren.
Vielen Dank für das Gespräch!