Interview mit Robert Uhl von der Uniklinik Würzburg Datenschutz als Herzensangelegenheit

Robert Uhl, Abfallbeauftragter der Universitätsklinik Würzburg (Foto: Abfallmanager Medizin)
Robert Uhl, Abfallbeauftragter der Universitätsklinik Würzburg (Foto: Abfallmanager Medizin)

Mit rund 7.100 Mitarbeitern zählt das Universitätsklinikum Würzburg zu den 15 größten Unikliniken in Deutschland. Fast 75.000 Patienten werden hier pro Jahr stationär oder teilstationär aufgenommen, Daten erhoben, verarbeitet und archiviert. Jegliche Art von personenbezogenen Informationen eines Patienten müssen dabei sorgfältig und vertraulich behandelt werden, seien es biometrische Werte, Behandlungsdaten, wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse und Therapiemaßnahmen oder Stammdaten, wie Adresse, Krankenkassenzugehörigkeit oder Versicherungsnummern.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dient als gesetzliche Grundlage, auch zur korrekten Handhabung von Gesundheitsdaten. Was bei der Anamnese am Arztcomputer beginnt, endet bei der sicheren Entsorgung der Patientendaten, sei es die Papierakte, die digitale Kartei, die gelabelte Blutkonserve oder das personalisierte Röntgenbild.

Verantwortlich für die datenschutzkonforme Vernichtung dieser Daten ist die medizinische Einrichtung. Wir durften den Abfallbeauftragten der Universitätsklinik Würzburg vor Ort besuchen und mit ihm über Datenschutz, Gesetze, Sorgfaltspflicht, zertifizierte Entsorger und Kontrolle dieser sprechen.

Zur Person: Robert Uhl

  • seit 1993 Betriebsbeauftragter für Abfall am Uniklinikum Würzburg
  • Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter am UKW seit 2002
  • Mitglied in der Projektgruppe Abfallbeauftragte der Bayerischen Krankenhausgesellschaft
  • Mitglied im Arbeitskreis Gefahrgut Unterfranken

Sehr geehrter Herr Uhl, im Leitbild der Uniklinik Würzburg steht unter dem Punkt „Ökologie und Ökonomie“ der Satz: „Wir vermeiden Abfall und kümmern uns um die richtige Entsorgung.“ Wie sorgen Sie dafür, dass Abfallvermeidung auch bei den Ärzten und dem Pflegepersonal gelebt wird? Wie funktioniert die Weitergabe von Informationen zur Entsorgung? Führen Sie Schulungen durch oder gibt es Online-Weiterbildungen dazu?

Robert Uhl: Uns stehen dafür verschiedene Instrumente zur Verfügung. Zunächst ist hier unsere Dienstanweisung Abfallentsorgung zu erwähnen. Hier gibt es insgesamt für 59 mögliche Abfallfraktionen je eine Seite, auf der alle wichtigen Punkte zur Sammlung und Entsorgung aufgeführt sind. So kann jeder Mitarbeitende die Abfallfraktionen aufrufen und sich informieren.

Erste Bekanntschaft mit den Vorgaben zur Abfallentsorgung machen neue Mitarbeitende allerdings bereits beim sogenannten Einführungstag. Andere Schulungen zu dem Thema bieten wir unter anderem im Zuge von Veranstaltungen unserer Stabsstelle Krankenhaushygiene an. Bei diesen Terminen sind Ärztinnen und Ärzte des Klinikums bzw. Stationsleitungen zu Gast. Weitere Vorträge zum Thema finden zudem regelmäßig in unserer Akademie statt. Außerdem ist bei den regelmäßigen Schulungen unserer beauftragten Personen aus dem Bereich Gefahrgut der richtige Umgang mit gefährlichen Abfällen ein wesentliches Thema.

Dazu gibt es dann Unterweisungsmodule und Arbeitsanweisungen, die jedem Mitarbeiter zugänglich sind. Auch zielgruppenorientierte Schulungen bspw. für OP-Mitarbeiter wurden bereits durchgeführt.

Des Weiteren sind wir auch offen für neue Vorschläge zur Verbesserung der Entsorgungslogistik. Dafür haben wir eine Ideenbörse, bei der sich jeder Mitarbeiter einbringen kann, wenn er wunderbare Ideen hat.

Gab es mit Beginn der Corona-Pandemie besondere Herausforderungen, mit denen Sie als Abfallbeauftragter konfrontiert wurden?

Robert Uhl: Ja, die gab es in der Tat! Die plötzlich anfallenden großen Mengen an infektiösen Abfällen machten es notwendig, schnell zugelassene Verpackungen in ausreichender Anzahl zu beschaffen. Die Art der Abfälle, z. B. die doch recht voluminöse Schutzkleidung machte es zudem noch notwendig, Behälter mit einem größeren Volumen bereitzustellen. Normalerweise verwenden wir 30 Liter Behälter. Für die anfallenden COVID-19 Abfälle haben wir dann kurzfristig Behälter mit einem Volumen von 50 Litern bestellt.

Ein weiteres Problem betraf die Zwischenlagerung der Abfälle. Diese mussten gekühlt gelagert werden. Glücklicherweise verfügen wir hierfür über eine recht große, begehbare Kühlzelle. Aber auch die kam an ihre Kapazitätsgrenze, sodass wir zeitweise zwei Abholungen pro Woche hatten. Hier hat uns der beauftragte Entsorgungsfachbetrieb sehr gut und unkompliziert unterstützt.

Verantwortung der Kliniken im Abfallmanagement

Als Abfallerzeuger oder -besitzer sind Krankenhäuser bis zur vollständigen Vernichtung der Abfälle für diese verantwortlich und müssen die regelkonforme Entsorgung in die Wege leiten. Sollten Abfälle aufgrund mangelnder Sorgfalt falsch entsorgt werden, können Kliniken dafür haftbar gemacht werden. Deshalb sind Nachvollziehbarkeit und Transparenz hinsichtlich der Abfallbehandlung durch den zertifizierten Entsorger enorm wichtig. Wie wählen Sie Ihre Entsorger aus? Welche Qualifikationen muss dieser mitbringen?

Robert Uhl: Zuverlässigkeit ist hier ein ganz wichtiger Punkt. Bei Unternehmen, die neu eingesetzt werden sollen, fordern wir zunächst alle gängigen Zertifizierungen und Dokumente ein. Bei nicht gefährlichen Abfällen geben wir auch kleineren Betrieben, die kein Entsorgungsfachbetrieb sind, eine Chance. Hier werden dann zunächst die Dokumente aus der Anzeige- und Erlaubnisverordnung bzw. die alte Transportgenehmigung angefordert. Weitere Dokumente fordert die Vergabestelle ein.

Die Abholungen, insbesondere von gefährlichen Abfällen, werden immer vom Abfallbeauftragten des Klinikums überwacht. Damit ist gewährleistet, dass die beauftragten Betriebe bei der Abholung alle erforderlichen Vorschriften einhalten. Außerdem gewinnt man auf diese Weise einen guten Einblick in die Arbeitsweise – diese Methode hat sich für uns bislang bewährt. Beispielsweise gab es schon Fälle, wo ein beauftragter Betrieb aus diversen Gründen, die ich nicht näher erläutern möchte, nur ein einziges Mal eingesetzt wurde.

Datenschutz im Abfallmanagement

Herr Uhl, Ihnen liegt vor allem der Schutz von sensiblen Patientendaten am Herzen. Können Sie uns zunächst erst einmal umschreiben, wie Sie das als Abfallbeauftragter gemeinsam mit Ihrem Kollegen, dem Datenschutzbeauftragten, in der Praxis umsetzen?

Robert Uhl: Ja, da haben Sie recht! Das liegt mir wirklich sehr am Herzen. Aus diesem Grund bin ich, sofern ich im Dienst bin, bei allen Vernichtungen unserer diversen Datenträger beim Entsorger vor Ort und überwache die Vernichtung über den gesamten Zeitraum. Bei allen beauftragten Entsorgern wurde zunächst ein Audit durchgeführt, bei dem neben den technischen und organisatorischen Maßnahmen auch die einschlägigen Dokumente begutachtet wurden. Erst wenn der behördlich bestellte Datenschutzbeauftragte sein o.k. gibt, kann mit der Entsorgung begonnen werden. Die Überwachung der Entsorgung durch einen Mitarbeitenden des Klinikums ergibt sich auch aus den besonderen Anforderungen des bayerischen Krankenhausgesetzes, Artikel 27.

Bei medizinischen Einrichtungen wird der so genannte AV-Vertrag in allen Bereichen, in denen externe Dienstleister mit personenbezogenen Daten umgehen, obligatorisch. Das kann die Wartung von IT-Anlagen ebenso betreffen wie das Entsorgen von Patientenakten, Röntgenfilmen und Datenträgern. Überträgt man damit die Verantwortung an die Dienstleister?

Robert Uhl: Nein, die Verantwortung verbleibt bei der medizinischen Einrichtung. Allerdings nimmt der AVV auch die Entsorgerseite in die Pflicht. Grundsätzlich führen wir ein Audit durch, wo wir zu der Firma fahren und uns genau anschauen, wie die Entsorgung dort abläuft. Wenn es dabei um sensible Daten geht, wird zusätzlich der Datenschutzbeauftragte ins Boot geholt. Wir fahren dann zusammen zu den Entsorgern und überprüfen, ob in der Firma entsprechend professionell gearbeitet wird. Anschließend werden die entsprechenden Verträge geschlossen, die auch den AV-Vertrag beinhalten. Bei Vernichtungen, die für den Datenschutz relevant sind, bin ich grundsätzlich immer vor Ort und bleibe so lange, bis das ganze Material vernichtet ist.

Entsorgung medizinischer Röntgenfilme

Sie haben bei der Verwertung ihrer Röntgenfilme vor kurzem das Angebot des Entsorgers angenommen, den gesamten Entsorgungsprozess zu begleiten. Können Sie uns kurz erzählen, wie man sich so einen begleiteten Transport vorstellen kann und zur zweiten Fragen, hat Ihnen diese Maßnahme für die Zukunft Sicherheit vermittelt?

Robert Uhl: Die mobilen Schredder waren für uns ungünstig, da der Prozess der Vernichtung langwierig war. Zudem ist es beim mobilen Schreddern nicht möglich, das Papier von den wertvollen Röntgenbildern zu trennen. Nun sammeln wir die Röntgenbilder in Gitterboxen und lassen diese jährlich abholen. Dieser Prozess der Vernichtung dauert insgesamt zwei Tage, an denen der Schredder in der Entsorgungsanlage nur für uns zur Verfügung steht. Wir haben hier die Sicherheitsstufe 3, dafür ist die Anlage auch entsprechend zertifiziert, und damit sind auch wir als Erzeuger auf der sicheren Seite.

Als wir uns für den begleiteten Transport entschieden haben, sind uns für die Röntgenbilder verkleidete und nicht einsehbare Gitterboxen gestellt worden. Dort hinein haben die Kolleginnen und Kollegen aus dem Archiv die Bilder einsortiert, die zum Recycling gehen sollten. Als wir zehn dieser Gitterboxen voll hatten, haben wir uns einen Termin geben lassen, um den Transport und die Entsorgung zu begleiten.

Während der Lkw kam und die Paletten verladen wurden, sind die Schlüssel für die Deckel der Boxen bei mir verblieben. Anschließend sind wir hinter dem Lkw hergefahren, bis wir beim Entsorger vor Ort waren. Der Lkw ist dann in die Halle gefahren und die Tore hinter ihm wurden direkt geschlossen. Erst direkt am Schredder wurden die Schlösser geöffnet und das Material in den Schredder gegeben. Röntgenbilder sind ein recht zähes Material, wir haben zwei Tage dafür gebraucht. Hinten ist direkt eine Waschanlage für das in den Bildern enthaltene Silber angebunden, wo die kleinen geschredderten Schnipsel reinfallen. In diesem Verfahren entsteht ein Silberschlamm, dass im weiteren Prozess wieder zu Silber wird. Und es entsteht sortenreiner Kunststoff, der entsprechend weiterverwertet werden kann.

Noch eine Frage am Rande, die uns interessiert: Besteht ein gewisser Entscheidungskonflikt zwischen dem Anspruch des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der Bestimmungen innerhalb der DSGVO? Oder anders gefragt: Führt die Sicherheit der Patientendaten oft dazu, dass Abfall eher vernichtet als recycelt wird?

Robert Uhl: Wir haben hier zwei Rechtsbereiche, die sich gegenüber stehen. Beim DSGVO steht natürlich die Vernichtung der Daten im Vordergrund, während beim Kreislaufwirtschaftsgesetz eine stoffliche Verwertung angestrebt wird. Bislang versuchen wir, soweit es möglich ist, die stoffliche Verwertung anzustreben. Recht einfach ist es bei Papier, weil das geschredderte Papier in Papierfabriken verwertet werden kann. Schwieriger ist dies bei anderen Materialien wie zum Beispiel Röntgenbildern, weil es nur ganz wenige Anlagen gibt, die nach dem Schreddern das enthaltene Silber auswaschen und die sortenreinen Kunststoffe einer weiteren stofflichen Verwertung zuführen. Auch bei anderen Datenträgern wie z .B. Thermotransferbändern aus Etikettendruckern oder sonstiger „harter Datenträger“ dürfte die stoffliche Verwertung wegen des Materialmixes schwierig sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Quellen

Robert Uhl, Abfallbeauftragter der Universitätsklinik Würzburg (Foto: Abfallmanager Medizin)
Robert Uhl, Abfallbeauftragter der Universitätsklinik Würzburg (Foto: Abfallmanager Medizin)