Kreislaufwirtschaft Ökobilanzen im Gesundheitswesen

Krankenhausflur (Bildnachweis: Photo18@desing)
Eine kann Ökobilanz helfen, Produkte umweltfreundlicher zu entwickeln oder Prozesse in Krankenhäusern zu optimieren. (Foto: Photo18@desing)

Ressourcen- und Umweltschutz sowie ein verantwortungsbewusster Umgang mit Materialien und Energie gewinnen im Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Um eine nachhaltige und ressourcenschonende Patientenversorgung im Klinikalltag zu realisieren, ist eine Ökobilanz – auch bekannt als Lebenszyklusanalyse oder Life Cycle Assessment (LCA) – ein unverzichtbares Instrument. Damit lassen sich die Umweltauswirkungen von Produkten, Dienstleistungen und sogar eines gesamten Krankenhauses analysieren und bewerten, welche als Grundlage für fundierte Entscheidungen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen.

Kliniken gelten als Großverbraucher von Ressourcen und produzieren im Vergleich zum Durchschnittsbürger fast die dreifache Abfallmenge. Auch deshalb wird immer mehr Wert auf einen reduzierten Ressourcenverbrauch und nachhaltige Alternativen gelegt. Ein wirksames Instrument ist hier die Lebenszyklusanalyse bzw. Ökobilanz, die eine umfassende Bewertung der Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen ermöglicht. Das wird zunehmend wichtiger, denn immer mehr Kliniken fallen unter die CSRD-Berichtspflicht. Die Ergebnisse einer Ökobilanz helfen darüber hinaus, Produkte umweltfreundlicher zu entwickeln oder Prozesse in Krankenhäusern zu optimieren. In der Politik und Gesetzgebung werden sie eingesetzt, um beispielsweise Umweltschutzstandards oder entsprechende Richtlinien zu erarbeiten.

Wie wird eine Lebenszyklusanalyse erstellt?

Um die Umweltauswirkungen eines bestimmten Produktes zu ermitteln, mehrere Produkte miteinander zu vergleichen oder den Umwelteinfluss eines Gebäudes oder Unternehmens zu bewerten, muss man sich mit dessen gesamten Lebenszyklus beschäftigen. Die dafür notwendige Analyse setzt sich aus vier Hauptphasen zusammen:

  • eine Ziel- und Umfangsdefinition,
  • die Sachbilanzierung (Life Cycle Inventory (LCI)),
  • eine Wirkungsabschätzung (Life Cycle Impact Assessment – LCIA) und
  • eine abschließende Auswertung.

Nach der Ziel- und Umfangsdefinition, mit welcher festgelegt wird, was konkret analysiert werden soll, folgt die Sachbilanzierung. Diese umfasst die Quantifizierung aller relevanten Input- und Outputströme. Hierbei müssen alle Schadwirkungen auf Boden, Luft und Wasser sowie alle Stoffströme, die mit dem zu analysierenden System verbunden sind, berücksichtigt werden. Die Datenanalyse identifiziert individuelle Verbesserungspotenziale und unterstützt dabei, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Bei der weiterführenden Wirkungsabschätzung werden Kategorien – beispielsweise das Treibhaus- und Versauerungspotenzial – definiert und potenzielle Umweltauswirkungen beurteilt sowie quantifiziert. Basierend auf den Analyseergebnissen der Ökobilanzierung lassen sich schlussendlich Handlungsempfehlungen ableiten.

Was macht eine Ökobilanzierung herausfordernd?

Wenn ein Krankenhaus seine Umweltauswirkungen bewerten möchte, ist das meist mit erheblichem Rechercheaufwand verbunden – der natürlich auch große personelle Ressourcen bindet. Zumal in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bis zu 40.000 verschiedene Produkte im Einsatz sind. Schon die Datenbeschaffung kann sich als aufwendig und komplex erweisen. Oft ist unklar, welche Abteilungen über welche Informationen verfügen und auch Hersteller oder Lieferanten geben oft nur eingeschränkt Auskunft, etwa wenn Herstellungsprozesse als Betriebsgeheimnisse geschützt werden sollen. Hinzukommen komplexe Lieferketten: Auch wenn viele Unternehmen mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ihre Lieferketten transparent darlegen müssen, gilt das bis dato noch nicht für Betriebe mit unter 1.000 Mitarbeitenden.

Ein weiterer entscheidender Faktor: Sind Ansatzpunkte zur Minimierung von Ressourcen oder Abfallreduzierung identifiziert, müssen entsprechende Strukturen etabliert werden, mit denen die Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch umgesetzt werden können. Dies erfordert teilweise tiefgreifende Veränderungen in den Abläufen einer Einrichtung und auch das Personal muss dahingehend geschult werden.

Vergleichbarkeit nur eingeschränkt möglich?

Produkte und Prozesse mit gleicher oder ähnlicher Funktion zu vergleichen, ist eines der Hauptanwendungsfelder einer Ökobilanz. Aufgrund unterschiedlicher Datenqualität, eingeschränkter Datenverfügbarkeit, der angewendeten Methodik oder auch der Systemgrenzen ist der Vergleich von Produkten allerdings nur eingeschränkt möglich. Vergleicht man zum Beispiel zwei Medizinprodukte verschiedener Hersteller, unterscheiden sich die verfügbaren Informationen oft stark in ihrer Qualität – oder bleiben ganz aus. Kliniken sind dann auf Schätzungen angewiesen, die eine Bilanz am Ende ungenau werden lassen. Auch die subjektive Gewichtung von Ergebnissen kann die Auswertung der Daten stark beeinflussen.

Mangelnde Vergleichbarkeit erschwert die Interpretation und kann zu falschen Schlussfolgerungen bzw. Handlungsempfehlungen führen. Damit Ökobilanzen aussagekräftig sind, braucht es aber einheitliche Standards, transparente Methoden und gute Datenqualität.

Forderungen nach Ökobilanz-Standards

Soll eine Ökobilanz für ein Medizinprodukt erstellt werden, müssen die LCA-Daten entsprechend beim Medizinproduktehersteller angefragt werden. Allerdings gibt es keinen allgemeingültigen Datensatz, der von Kliniken angefragt wird, sondern jede Einrichtung hat einen „individuellen Fragenkatalog“. Hier fehlen gemeinsame Standards, die eine einheitliche Berechnungsgrundlage schaffen.

Auf diesen Bedarf nach Standards reagierte das deutsche Normungsinstitut DIN, indem es im März 2025 Vertretende aus der Medizin- und Pharmaindustrie, Wissenschaft und Forschung sowie NGOs zum ersten gemeinsamen DIN-Ausschuss NA 176-01-10 AA zu Ökobilanzen für Medizinprodukte und Pharmaprodukte zusammenbrachte. Dieser Ausschuss soll zukünftig Normen erarbeiten, die Medizinprodukteherstellern sowie der Pharmaindustrie eine wissenschaftlich fundierte und methodische Grundlage an die Hand gibt, mithilfe derer sie die Umweltbelastung ihrer Produkte im gesamten Lebenszyklus bewerten können. Dabei sollen nicht nur direkte Umweltauswirkungen wie der Verbrauch von Ressourcen berücksichtigt, sondern auch indirekte Effekte wie CO2-Emissionen sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen einbezogen werden. Grundlage der Ausschussarbeit sollen bereits bestehende Normen bilden, darunter die aktuellen Grundlagen der Ökobilanz DIN ISO 14040 und 14044, aber auch weitere Normen wie die DIN EN ISO 14025:2011-10.

Unterstützt werden diese Bestrebungen durch den Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed), welcher auch selbst im Ausschuss aktiv ist. Der BVMed setzt sich bereits seit einiger Zeit mit der Problematik nicht ausreichender Standards in der Ökobilanzierung und damit der fehlenden Vergleichbarkeit von Daten auseinander. „Eine standardisierte und international anwendbare Ökobilanz könnte Abhilfe schaffen und fundierte Kaufentscheidungen auf Basis der Umweltauswirkungen ermöglichen. Dieser Ansatz wurde nicht zuletzt von der EU-Kommission im Clean Industrial Deal befürwortet“, kommentiert Nachhaltigkeitsexpertin Clara Allonge von BVMed den Vorstoß der deutschen Normungsgesellschaft in einer Pressemitteilung.

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