Klimaneutrale Krankenhäuser und ihre Finanzierung Kliniken brauchen Climate Boost für Klimaschutz

Ohne zusätzliche externe Förderung lässt sich laut Gutachten Klimaneutralität für Krankenhäuser nicht erreichen (Foto: ipopba, iStock)
Ohne zusätzliche externe Förderung lässt sich laut Gutachten Klimaneutralität für Krankenhäuser nicht erreichen (Foto: ipopba, iStock)

Aktuell sind Krankenhäuser von einer Klimaneutralität noch meilenweit entfernt. Da jedoch auch sie laut Klimaschutzgesetz bis 2045 klimaneutral sein müssen, gilt es jetzt und in den kommenden Jahren eine Reihe entscheidender Maßnahmen zu ergreifen. Welche das sinnvollerweise sein sollten, hat 2022 das Wuppertal Institut für die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) in einem Gutachten herausgearbeitet. Ein weiteres Gutachten des hcb Institute for Health Care Business widmet sich wiederum der drängenden Frage nach der Finanzierung dieser Umsetzungsmaßnahmen. Die Ergebnisse zeigen, dass es nicht nur bei den Krankenhäusern, sondern auch bei den Fördermöglichkeiten in Sachen Klimaschutz noch viel zu tun gibt.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der Investitionsbedarf für die Klimaneutralität der Plankrankenhäuser in NRW liegt bei mindestens 7,1 Mrd. Euro, deutschlandweit bei 34 Mrd. Euro.
  • Pro Plankrankenhaus werden 23 Millionen Euro benötigt.
  • Bestehende Fördermodelle sind für die Finanzierung nicht geeignet.
  • Klimaschutzinvestitionen sollten als notwendig im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) verankert werden.
  • Die Finanzierung sollte über einen Krankenhaus-Klimafonds erfolgen.

Im Gutachten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie werden zehn Maßnahmen herausgestellt, die von den Krankenhäusern zu ergreifen sind, damit sie die im Klimaschutzgesetz verankerten Zielmarken für 2030, 2040 und 2045 realisieren können.

Für das Erreichen der ersten Marke – eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 – sehen die Autoren des daran anknüpfenden Gutachtens „Das klimaneutrale Krankenhaus – Finanzierungsmöglichkeiten von Umsetzungsmaßnahmen“ bei Plankrankenhäusern in Nordrhein-Westfalen einen Gesamtinvestitionsbedarf von mindestens 7,1 Milliarden Euro (ohne Unikliniken), verteilt auf sieben Jahre. Für sämtliche Plankrankenhäuser in Deutschland errechneten die Autoren einen Gesamtbedarf von 34 Milliarden Euro.

23 Millionen Euro pro Plankrankenhaus

Ein Plankrankenhaus ist ein durch Literaturrecherchen und Expertenbefragungen erstelltes Modell eines durchschnittlichen Krankenhauses in NRW. Dieses Durchschnittskrankenhaus weist folgende Merkmale auf:

  • Betten: 339
  • Beschäftigte: 737
  • Grundfläche: 40.000 m²
  • thermischer Energiebedarf pro Jahr und Bett: 25.000 kWh
  • elektrischer Energiebedarf pro Jahr und Bett: 7.800 kWh
  • Wärmekosten pro kWh: 0,0265 Euro
  • Stromkosten pro kWh: 0,2664 Euro

Offiziell gibt es in Nordrhein-Westfalen (Stand 2019) 315 solcher Plankrankenhäuser, wenngleich acht davon keine bettenführenden Häuser sind. Pro Einrichtung besteht ein errechneter Investitionsbedarf von rund 23 Millionen Euro.

Größter Kostenpunkt: Gebäudehüllen

Der mit Abstand größte Kostenpunkt liegt in der Maßnahme „Gebäudehüllen“. Von den 7,1 Milliarden Euro entfallen allein 6,3 Milliarden Euro auf die umfassende Wärmedämmung von Gebäuden (in Dächern und Fassaden). 4,1 Milliarden Euro davon sind dabei als reine Sanierungskosten und notwendige (längst überfällige) Grundinvestitionen angelegt, ohne die sich keinerlei positive externe Klimaschutzeffekte durch die Krankenhäuser erzielen lassen. Erst die übrigen 2,2 Milliarden Euro wirken als zusätzliche „Klimaschutzinvestitionen“ auf das Ziel tatsächlicher Klimaneutralität hin. Mit den weiteren 800 Millionen Euro wird die Anschubfinanzierung der nicht-investiven Maßnahmen wie Klimaschutzmanagement, „ohne Auto zum Krankenhaus“ oder die Teilmaßnahme Jobticket für den ÖPNV beziffert.

In dieser Gesamtrechnung sind die sechs Universitätskliniken in NRW noch ausgenommen. Um diese klimaneutral zu machen, brauche es insgesamt weitere ca. 740 Millionen Euro, davon 450 für die genannten Grundinvestitionen, 290 für weitere Klimaschutzinvestitionen sowie 80 Millionen Euro für die Anschubfinanzierungen der nicht-investiven Maßnahmen. Der Gesamtbedarf für Plankrankenhäuser und Unikliniken zusammen beläuft sich dementsprechend auf 7,84 Milliarden Euro.

Keine Klimaneutralität ohne externe Förderung

23 Millionen Euro verteilt auf sieben Jahre bedeuten mehr als drei Millionen Euro pro Jahr. Die wenigsten Krankenhäuser dürften einen solchen Betrag einfach so „auf der hohen Kante“ haben. Kliniken erwirtschaften normalerweise nicht genügend Überschüsse (die im dualen Finanzierungssystem schließlich auch nicht vorgesehen sind), um derartige Aufwendungen stemmen zu können. Nicht wenige Häuser sind vielmehr schon jetzt, ohne überhaupt in den Klimaschutz zu investieren, akut oder chronisch insolvenzgefährdet. Für eine innerbetriebliche Amortisation der Investitionen reichen die über die Maßnahmen erzielten Energieeinsparungen wiederum nicht aus. Kurzum: Ohne zusätzliche externe Förderung lässt sich demnach keine Klimaneutralität erreichen.

Momentane Förderung nicht ausreichend

Doch an einer sachgerechten Förderung hapere es momentan, wie das Gutachten herausstellt. Die Investitionsfinanzierung gemäß Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) bzw. Krankenhausgestaltungsgesetz NRW (KHGG NRW) reicht schon jetzt für notwendige Investitionen nicht aus, um allein die Unternehmenssubstanz der Krankenhäuser zu erhalten. Wegen der zu eng gesteckten Zweckbindung der Fördermittel (betriebswirtschaftliche Notwendigkeit) könnten diese jedoch ohnehin nicht zielführend für ein klimaneutrales Krankenhaus abgerufen werden. So lassen sich etwa Maßnahmen zur Wärmedämmung im Bestand zumeist nur in Verbindung mit einer zusammenhängenden Baumaßnahme wie einem Um- oder Anbau fördern. Ähnliches gilt für zweckgebundene Sondertöpfe wie den Krankenhausstrukturfonds, Krankenhauszukunftsfonds oder Innovationsfonds.

Bleiben noch staatliche Beihilfen. Wegen der Bestimmungen zum EU-Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kommen für Krankenhäuser hier jedoch nur solche infrage, über die sich lediglich ein Bruchteil der benötigten Mittel abrufen ließe, wie De-minimis-Beihilfen (max. 200.000 Euro über drei Jahre) oder Beihilfen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO – nur Investitionsmehrkosten).

Climate Boost: Klimaschutzinvestitionen im KHG und Krankenhaus-Klimafonds

Da Krankenhäuser mit den aktuellen Fördermitteln nicht weit kommen, schlagen die hcb-Gutachter ein neues Sofortförderprogramm vor, das sie „Climate Boost“ nennen. Dieses sieht zunächst vor, dass Klimaschutzinvestitionen im KHG (und KHGG NRW) als notwendige Investitionsmaßnahmen definiert werden und die Zweckbindung der Mittel breiter ausgerichtet wird. Zur Bereitstellung der Investitionsmittel soll wiederum ein Krankenhaus-Klimafonds eingerichtet werden.

Für die Zuteilung der Mittel schwebt den Autoren eine Kombination aus einer „Klimapauschale“ (analog zur herkömmlichen pauschalen Krankenhausförderung, jedoch ausschließlich für Klimaschutzmaßnahmen) und Einzelförderungen vor. Letztere sollen im Rahmen eines Sonderinvestitionsprogramms erfolgen, das mitunter die Anschubfinanzierung von Betriebskosten abdeckt, die mit dem notwendigen Klimaschutzmanagement einhergehen. Auch hierfür bedarf es einer Zweckbindungsänderung im KHG respektive KHGG NRW.

Quellen

Ohne zusätzliche externe Förderung lässt sich laut Gutachten Klimaneutralität für Krankenhäuser nicht erreichen (Foto: ipopba, iStock)
Ohne zusätzliche externe Förderung lässt sich laut Gutachten Klimaneutralität für Krankenhäuser nicht erreichen (Foto: ipopba, iStock)