Medizinprodukteverordnung Mehr Sicherheit bei Medizinprodukten

Medizinprodukte kommen täglich im Krankenhaus zum Einsatz, alles Rechtliche ist in der Medizinprodukteverordnung (MDR) zusammengefasst. (Foto: wladimir1804)
Medizinprodukte kommen täglich im Krankenhaus zum Einsatz, alles Rechtliche ist in der Medizinprodukteverordnung (MDR) zusammengefasst. (Foto: wladimir1804)

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die MDR (Medical Device Regulation) ersetzt und verschärft seit Mai 2021 die bisherigen Richtlinien für Medizinprodukte (MDD) und aktive implantierte Medizinprodukte (AIMDD).
  • Die Übergangsfristen für das endgültige Inkrafttreten der MDR wurden 2023 bis mindestens Ende 2026 verlängert.
  • Änderungen betreffen u. a. strengere Klassifizierungen, erweiterte Herstellerpflichten und die Benennung/Notifizierung Benannter Stellen.
  • Die MDR führt ein einheitliches Produktidentifikationssystem ein.
  • Krankenhäuser profitieren von den Verschärfungen durch sicherere Produkte.

Ob Stützstrumpf, Einmalspritze, Beatmungsgerät oder Herzkatheter – nirgendwo kommen so viele verschiedene Medizinprodukte zum Einsatz wie im Krankenhaus. Doch was diese und viele mehr eint, ist nicht bloß der Ort, an dem sie so zentriert auftreten, sondern mehr noch ein Rechtstext, der sie EU-weit allesamt betrifft. Die Rede ist von der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR). Diese definiert künftig strenge Anforderungen an Medizinprodukte für deren Zulassung in der EU, um sowohl erhöhte Sicherheitsstandards als auch ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Produkte zu gewährleisten. Krankenhäuser profitieren von diesen Verschärfungen auch in der Entsorgung.

Die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (Medical Device Regulation – MDR) wurde Mitte 2017 verabschiedet und ist seit dem 26. Mai 2021 in Kraft. Seither ersetzt sie die Richtlinien 93/42/EWG über Medizinprodukte (MDD) und 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte (AIMDD) und führt diese zusammen. Bis zu ihrer vollen Gültigkeit besteht ein Übergangszeitraum, der ursprünglich am 26. Mai 2024 enden sollte. Da jedoch die Branche bei der Umsetzung hinterherhinkt und somit Engpässe in der Medizinprodukteversorgung drohen, haben EU-Parlament und -Rat im März 2023 eine Verlängerung der Fristen beschlossen. Je nach Produktklasse bleibt demnach noch bis zum 31.12.2026 (implantierbare Klasse III Sonderanfertigungen), 31.12.2027 (Klasse III und bestimmte implantierbare IIb-Produkte) und 31.12.2028 (alle anderen) Zeit.

Doch was genau soll eigentlich umgesetzt werden? Im Großen und Ganzen werden die Regelungen der ursprünglichen Richtlinien für mehr Sicherheit und Gesundheitsschutz erweitert und verschärft. Hervorzuheben sind dabei:

  • ein erweiterter Geltungsbereich,
  • eine strengere Klassifizierung,
  • erweiterte Herstellerpflichten,
  • Änderungen bei den Benannten Stellen,
  • ein einheitliches Produktidentifikationssystem sowie
  • eine strengere Konformitätsbewertung.

Erweiterter Geltungsbereich in der MDR

Neben den bisherigen Medizinprodukten zählen in der MDR (Art. 1.2) auch Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung zum Geltungsbereich, die jedoch „hinsichtlich ihrer Funktionsweise und Risikoprofile Medizinprodukten ähneln“. Dies betrifft vorwiegend solche, die für rein kosmetische Zwecke bestimmt sind (z. B. Kontaktlinsen, Laser zum Entfernen von Tattoos oder Haaren etc.). Ferner sind auch Produkte Gegenstand der MDR, die ein In-vitro-Diagnostikum als integralen Bestandteil enthalten (Art. 1.7). Für letzteren Bestandteil gelten dabei allerdings die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR). Neben solchen liegen auch Medikamente außerhalb des Geltungsbereichs der MDR.

Strengere Klassifizierung durch MDR

Medizinprodukte werden nach ihrem Risiko für den Patienten im Falle ihres Ausfalls in die Risikoklassen I (geringes Risiko), IIa, IIb und III (hohes Risiko) eingeteilt. Die Klassifizierungsregeln (Anhang VIII) wurden in der MDR stark verschärft, wodurch manche Produkte nun evtl. einer höheren Risikoklasse zuzuordnen sind. Dies betrifft insbesondere:

  • invasive Produkte, chirurgisch invasive Produkte und implantierbare Produkte (Regeln 5-8),
  • aktive Produkte (Regeln 9-13) einschließlich Software (Regel 11),
  • Produkte, die Gewebe und Zellen verwenden (Regel 18),
  • Produkte, die Nanomaterialien enthalten (Regel 19), sowie
  • Produkte, die aus Stoffen bestehen (Regel 21).
  • Erweiterte Herstellerpflichten in der MDR

Die MDR wartet auch mit umfangreichen neuen Herstellerpflichten (Art. 10) auf. So müssen Hersteller etwa über ein Risikomanagement- und ein Qualitätsmanagementsystem verfügen sowie wesentlich aufwendigere klinische Bewertungen (Art. 61) und technische Dokumentationen für ihre Produkte durchführen. Dies umfasst u. a. ein System zur Überwachung der Medizinprodukte nach ihrem Inverkehrbringen (Art. 83). Zudem haben Hersteller u. a. ein Konformitätsverfahren anzuwenden und eine für die Einhaltung der Vorschriften „Verantwortliche Person“ zu benennen (Art. 15). Sind alle Anforderungen erfüllt, ist eine EU-Konformitätserklärung zu leisten (Art. 19). Die entsprechend konformen Produkte tragen die CE-Konformitätskennzeichnung gemäß Anhang V (Art. 20). Hersteller ohne Niederlassung in der EU müssen zudem einen Bevollmächtigten beauftragen (Art. 14).

Änderungen bei den Benannten Stellen

Auch die Benannten Stellen – also jene Einrichtungen, die die Produkte hinsichtlich ihrer MDR-Konformität prüfen – unterliegen strengeren Regeln, weshalb frühere Benannte Stellen teilweise wegfallen. Eine Benennung ist nun bei einer dafür zuständigen nationalen Behörde zu beantragen, deren Unparteilichkeit gewährleistet sein muss (Art. 35). Diese Behörde hat dabei so organisiert zu sein, dass Entscheidungen über Benennung oder Notifizierung nicht vom selben Personal getroffen werden, das auch für die Bewertung zuständig ist.

Gleichsam sind die Anforderungen an die Benannten Stellen (Art. 36; Anhang VII) selbst hoch. So müssen etwa bestimmte Aufgaben zwingend vom stelleneigenen Personal wahrgenommen und dürfen nicht an externe Sachverständige übertragen werden. Diese erhöhten personellen Anforderungen sind ein Grund dafür, weshalb es aktuell noch nicht genügend Benannte Stellen zur Umsetzung der MDR gibt (und damit mitverantwortlich für die notwendige Verlängerung der Übergangsfristen).

Herstellerseitig ist laut MDR zu prüfen, welche Benannte Stelle für die Bewertung ihres Produkts die richtige ist (alle Benannten Stellen sind in der NANDO-Datenbank der EU aufgeführt). Die Verordnung verlangt zudem eine enge Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Benannter Stelle zur Planung des Zertifizierungsprozesses für das Produktportfolio.

Einheitliches Produktidentifikationssystem: UDI

Die MDR schreibt ein einheitliches Produktidentifikationssystem bzw. Unique Device Identification System vor (Art. 27). Die Unique Device Identification, kurz UDI, ist ein einmaliger alphanumerischer Code, bestehend aus der UDI-DI (Device Identifier) bzw. UDI-Produktkennung und dem UDI-PI (Production Identifier) bzw. der UDI-Herstellungskennung. Jedes Produkt muss eine solche UDI führen, die wiederum in der Europäischen Datenbank (EUDAMED) einzutragen ist. So können über die UDI Medizinprodukte leicht identifiziert oder – bei Unstimmigkeiten (z. B. Produktfälschungen) – auch gemeldet werden. Insgesamt wird die Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten verbessert und eine deutlich bessere Datengrundlage für die mit ihnen durchgeführten Behandlungen geschaffen. Gleichsam erfolgt eine Standardisierung der Dokumentation in der Lieferkette.

Wie profitieren Krankenhäuser von der MDR?

Insgesamt dürfte die MDR in vielerlei Hinsicht zu merklichen Verbesserungen in Medizinprodukten bezüglich Gesundheitsschutz und Sicherheit führen. Insbesondere die verschärften Regelungen für klinische Studien, die Überwachung der Produkte auch nach dem Inverkehrbringen sowie die Einführung des UDI-Systems und der daraus resultierenden Transparenz werden maßgeblich zu Produktverbesserungen beitragen. Auch die Entsorgung wird dabei gemäß Art. 14.7 MDR zu berücksichtigen sein: „Die Produkte werden so ausgelegt und hergestellt, dass ihre sichere Entsorgung sowie die sichere Entsorgung zugehöriger Abfallstoffe durch den Anwender, Patienten oder Dritte möglich ist.“ Zu diesem Zweck hätten die Hersteller Verfahren und Maßnahmen zu bestimmen und zu erproben, in deren Folge ihre Produkte nach der Verwendung sicher entsorgt werden könnten. Diese Verfahren müssen in der Gebrauchsanweisung beschrieben sein.

Quellen

Medizinprodukte kommen täglich im Krankenhaus zum Einsatz, alles Rechtliche ist in der Medizinprodukteverordnung (MDR) zusammengefasst. (Foto: wladimir1804)
Medizinprodukte kommen täglich im Krankenhaus zum Einsatz, alles Rechtliche ist in der Medizinprodukteverordnung (MDR) zusammengefasst. (Foto: wladimir1804)