Das Duale System ist fester Bestandteil der deutschen Recyclingstruktur. Zunehmend entsorgen auch Kliniken ihre Verpackungsabfälle – vor allem aus dem Verwaltungsbereich – über das System. In besonders sensiblen Bereichen wie dem OP oder der direkten Patientenversorgung, wo Verpackungen theoretisch recycelt werden könnten, wenn sie nicht kontaminiert sind, verzichten jedoch viele Einrichtungen auf eine Nutzung des Systems. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Sorge um Fehlwürfe, strengen Hygienevorschriften, Unsicherheiten und dem zusätzlichen Arbeitsaufwand. In der Folge werden große Mengen potenziell recycelbarer Abfälle aus dem Kreislauf ausgeschlossen.
Verpackungen sind in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens unvermeidlich – sei es beim Einkauf im Supermarkt oder bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern. Obwohl der Verpackungsverbrauch im Jahr 2022 um 675.000 Tonnen auf insgesamt 19 Millionen Tonnen gesenkt werden konnte, stellt die nach wie vor erhebliche Menge an Verpackungsmaterialien, insbesondere bei der Entsorgung, ein ernstzunehmendes Problem dar. Damit Verpackungsabfälle als Sekundärrohstoffe erneut eingesetzt werden können, müssen diese gemäß ihrer Materialzusammensetzung sortiert und in den Kreislauf zurückgegeben werden. Hier gelten die Materialgruppen:
- Kunststoffe,
- Papier und Karton,
- Glas,
- Holz,
- Aluminium und
- eisenhaltige Metalle.
Verpackungsabfälle im Gesundheitswesen
Die zunehmende Menge an Verpackungsabfällen im Privatsektor lässt sich vor allem durch Veränderungen in den Lebensverhältnissen der Bevölkerung erklären, etwa durch den Anstieg der Ein- und Zweipersonenhaushalte sowie die demographische Entwicklung, insbesondere die wachsende Zahl älterer Menschen. Im Bereich der Gesundheitsversorgung spielen hingegen andere Faktoren eine Rolle. Hier sind die hohen Hygienestandards, der zunehmende Fachkräftemangel, die begrenzten Lagerkapazitäten und die weit verbreitete Nutzung von Einwegprodukten als zentrale Ursachen zu nennen. Produktverpackungen haben hier aber auch eine wichtige Funktion: Sie dienen vor allem dem Schutz und der Konservierung von Produkten, die Sicherheit der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden hat hier oberste Priorität. Diese entscheidenden Aspekte erschweren Einsparungen in diesem Bereich erheblich. Dennoch gibt es für Kliniken in der Beschaffung Möglichkeiten, auf verpackungsarme und nachhaltige Produkte zu setzen und die Abfälle in den Recyclingkreislauf zurückzugeben, damit diese als Sekundärrohstoffe wiederverwendet werden können.
Verpackungsmaterialien in den Wertstoffkreislauf zurückgeben
Verpackungsabfälle bieten – sofern sie richtig entsorgt werden – ein großes Recyclingpotenzial. Auch im Verpackungsgesetz (VerpackG), welches 2019 die Verpackungsverordnung (VerpackV) abgelöst hat, ist die stoffliche Wiederverwertung der meisten (Verkaufs-)Verpackungen vorgesehen und es sind Recyclingquoten entsprechend ihrer Materialien festgelegt. Die 1991 in Kraft getretene Verpackungsverordnung veranlasste in Deutschland tätige Unternehmen, einen Verbund zu gründen, der die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsmaterialien bundesweit privatwirtschaftlich über das sogenannte Duale System organisiert. Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland war der erste privatwirtschaftliche Anbieter des Systems, Stand heute gibt es aber weitere Anbieter, darunter EKO-Punkt GmbH & Co KG und PreZero Dual GmbH, die alle in Konkurrenzzueinander stehen. Die Bezeichnung „Dual“ resultiert aus der Tatsache, dass diese Entsorgungsstruktur zusätzlich zu der bereits bestehenden öffentlichen Entsorgung eingeführt wurde. Finanziert wird das Duale System über material- und verpackungsspezifische Lizenzgebühren, die Hersteller und Inverkehrbringer an das jeweilige System wie beispielsweise den Grünen Punkt zahlen müssen.
Welche Verpackungen sind systembeteiligungspflichtig?
Ausgehend vom Verpackungsgesetz hat die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) einen Katalog zusammengestellt, in welchem für alle Hersteller und Inverkehrbringer einsehbar ist, welche Verpackungen als systembeteiligungspflichtig eingestuftsind. Mit der Registrierung der Verpackungen soll einerseits das Verpackungsrecycling gesichert werden, andererseits sollenUnternehmen aber auch Verantwortung für das Recycling ihrer Verpackungen übernehmen. Unterschieden wird dabei zwischen verschiedenen Verpackungstypen: den Verkaufs-, Produkt-, Um-, Service-, Versand- und Transportverpackungen. Mit Ausnahme der Transportverpackungen müssen Verpackungen gemäß VerpackG bei einem Anbieter des Dualen System lizenziert sein.
Bei den Serviceverpackungen, darunter zählen beispielsweise Einweggeschirr, To-Go-Becher, Tragetaschen und Brötchentüten, gibt es eine weitere Ausnahmeregelung: Letztvertreiber der Serviceverpackungen – beispielsweise eine Kantine oder ein Kiosk in einem Krankenhaus – haben die Möglichkeit, ihre Systembeteiligungspflicht als Inverkehrbringer der Verpackungen an den Vorvertreiber der Serviceverpackung zu übergeben. Dafür braucht es allerdings eine offizielle Bestätigung durch den Hersteller. Kliniken sind, auch wenn sie ihre Beitragspflicht abgetreten haben sollten, seit dem 1. Juli 2022 verpflichtet, sich als Letztvertreiber im Melderegister LUCID der Zentralen Stelle Verpackungsregister zu registrieren.
Das Duale System hat Potenzial für die Gesundheitsversorgung
Auch wenn im OP und der Patientenversorgung Hygiene, Effizienz und Patientensicherheit im Vordergrund stehen, wächst zunehmend auch das Interesse an nachhaltigen und ressourcenschonenden Maßnahmen. Ein problematischer Aspekt in diesem Zusammenhang ist jedoch die Entsorgung von Verpackungen für sterile Produkte oder Einwegartikel. Insbesondere in kritischen Bereichen werden diese oft als Krankenhausabfälle entsorgt, wodurch eine Wiederverwertung oder das Recycling der Materialien in vielen Fällen unmöglich wird. Kliniken könnten allerdings bares Geld sparen, wenn sie für die Entsorgung der Verpackungsabfälle das Duale System nutzen. Dieses wird über die Produkthersteller finanziert, sodass das auf die Klinik als „Verbraucher“ keine gesonderten Kosten zukommen würden.
Duales System im Krankenhausalltag: Wie sieht es in der Realität aus?
Genau diese Frage hat die Redaktion des Abfallmanagers Medizin verschiedenen Universitätskliniken, Krankenhausverbänden wie auch kleineren Einrichtungen aus ländlichen Gebieten gestellt und konkret nachgefragt, ob, wie und in welchen Bereichen sie das Duale System nutzen. Aber auch, was Probleme in der täglichen Umsetzung sind und welche Vorteile die einzelnen Einrichtungen im Dualen System sehen. Viele der Befragten, darunter u. a. die Uniklinik Köln, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und die Klinik Kitzinger Land (Bayern) nutzen bereits seit vielen Jahren das Duale System. Manche Einrichtungen intensiver und nahezu ganzheitlich in allen Bereichen, andere vor allem im Verwaltungssektor oder in denKüchen. Trotzdem stoße man aber immer wieder – vor allem in sensiblen Bereichen wie der Patientenversorgung – an die Grenzen des Machbaren.
Gründe hierfür liegen nach Heiko Schlüter (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) u. a. in Problemen bei der Abfalltrennung, einer hohen Zahl an Fehlabwürfen sowie der fehlenden Motivation der Mitarbeitenden, aber es gibt immer wieder auch konkrete Schwierigkeiten mit den Systemanbietern selbst. Hierzu gehören beispielsweise zu kleine Sammelbehälter der Rücknahmesysteme sowie unflexible Entsorgungszeiten, die eine Integration in die Klinikabläufe erschweren. Laut Christian Wienhold – Abfallbeauftragter der Universitätsmedizin Greifswald – erschweren in seiner Einrichtung vor allem hygienische Auflagen die Nutzung des Systems im stationären Bereich.
Alle befragten Kliniken waren sich aber einig: Das Duale System ist – auch für das Gesundheitswesen – sehr sinnvoll und leistet, sofern es genutzt wird bzw. genutzt werden kann, einen entscheidenden Beitrag im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Mit der Entscheidung für das Duale System ziehe der „grüne Gedanke“ für alle Mitarbeitenden sichtbar ins Krankenhaus ein und die Einrichtung positioniere sich bewusst in Sachen Ressourcenschutz, so Jürgen Pusch von der Klinik Kitzinger Land. Nach Jens Jakubik (Uniklinik Köln) spricht zudem ein entscheidender Faktor ganz klar für die Entscheidung zum Dualen System: die Möglichkeit, Kosten einzusparen.
Erfolgreich können Einrichtungen das Duale System allerdings nur dann nutzen, wenn Mitarbeitende konsequent geschult werden und allen der Wert der richtigen Abfalltrennung bewusst ist. Hürden, die deren Umsetzung erschweren könnten, sollten so gering wie möglich gehalten werden. Dies erfordert unter anderem die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl an Abfallbehältern, die zudem gut sichtbar und eindeutig gekennzeichnet sind. Hier kann vor allem die Nutzung eines Behälterfarbleitsystems hilfreich sein.
Effektive Abfalltrennung als Schlüssel zur Ressourcenschonung
Das Duale System bietet – aus ökologischer wie auch ökonomischer Perspektive – großes Potenzial für das Gesundheitswesen, welches aber nur dann ausgeschöpft werden kann, wenn Kliniken die richtigen Strukturen und Anreize bieten, um auch kritische Bereiche einzubinden. Hier besteht in vielen Einrichtungen durchaus noch (großer) Optimierungsbedarf. Hier braucht es einerseits klare und vor allem praxisnahe Richtlinien: Abfallbeauftragte müssen eindeutige Anweisungen formulieren, wie Abfälle zu trennen sind. In diesem Zuge sollte auch die Unterscheidung von nicht kontaminierten sowie (potenziell) kontaminierten Abfällen geklärt werden, denn über das Duale System dürfen ausschließlich ungefährliche Verpackungsabfälle entsorgt werden.
Andererseits braucht es aber auch geeignete Infrastrukturen, denn gerade in sensiblen Bereichen wie dem OP oder der OP-Vorbereitung müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die Abfalltrennung erleichtern bzw. umfassend ermöglichen. Denn oft ist sich das Personal auch einfach unsicher, wie Abfälle getrennt werden müssen und welche Materialien recycelbar sind.Deshalb müssen Kliniken ihr Personal auch durch Schulungen und Entlastungen in die Lage versetzen, Abfälle effizient trennen zu können, ohne Arbeitsabläufe zu verlangsamen oder Hygienestandards zu gefährden. Dafür sind ausreichend Abfallbehälter zur Verfügung zu stellen und die neuen Strukturen müssen sich so in Prozesse einbinden lassen, dass der damit verbundene Mehraufwand vertretbar und durch das vorhandene Personal umsetzbar ist. Für diesen Prozess sollte eine gewisse Übergangsphase eingeplant werden. Digitale Entwicklungen und auch die Forschung an neuen Recyclingmöglichkeiten, wie beispielsweise Abfallbehälter aus Rezyklaten, können die Abfalltrennung im Gesundheitswesen in Zukunft deutlich einfacher und effektiver gestalten – dafür braucht es aber auch gesetzliche Anpassungen. All diese Maßnahmen kommen langfristig sowohl der Umwelt als auch der Wirtschaftlichkeit zugute.
Herstellerverantwortung bei der Verpackung
Auch wenn die Einrichtungen auf eine sehr sensible Abfalltrennung setzen und so alle Abfälle, die nicht kontaminiert sind, als Verpackungsabfälle entsorgt werden können, Maßnahmen zur Abfallreduzierung sowie verschiedene Recyclingprojekte forcieren, stoßen Kliniken aufgrund der großen Menge an Abfällen dennoch häufig an Nachhaltigkeitsgrenzen. Die Anzahl der produzierten Abfälle, beispielsweise durch die Mehrfach-Verpackung von benötigten Instrumenten, kann oft nicht umgangen werden.
So sprach auch Prof. Dr. Gilian Gerke – Professorin im Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit an der Hochschule Magdeburg-Stendal – im Interview mit dem Abfallmanager Medizin im Frühjahr letzten Jahres davon, dass sie gerade auf Seiten der Hersteller noch viel Optimierungsbedarf sehe. Viele Produkte seien zum Teil unverhältnismäßig verpackt und die Mengen an entstandenen Verpackungsabfällen ist – auch aus Sicht der Hygiene – nicht immer nachvollziehbar. Ein Großteil der Treibhausgasemissionen des Gesundheitswesens kann auf die Lieferkette (Scope 3) zurückgeführt werden, was neben der Produktion und dem Transport auch die Verpackung einschließt. Medizinprodukte-Hersteller haben deshalb einen erheblichen Einfluss darauf, die CO2-Emissionen des Gesundheitswesens zu reduzieren. Viele Unternehmen forschen bereits an nachhaltigen Alternativen. Trotzdem müssen Produktionsprozesse weiterhin optimiert werden, um die nachhaltigen Bemühungen der Kliniken – beispielsweise durch die Nutzung des Dualen Systems – weitreichend zu unterstützen.
Quellen
- Umweltbundesamt: Verpackungsabfälle
- Umweltbundesamt: Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutschland im Jahr 2022
- BDE: Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2024
- Mülltrennung-wirkt.de: Über die dualen Systeme
- Themennetzwerk: Tagesanzeiger – Duale Systeme zur unentgeltlichen Abholung verpflichtet
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Kreislaufwirtschaft
- Ärzteblatt: Arzneimittelmüll – Hauptlast trägt Duales System
- Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister: Über uns
- Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister: Willkommen im Verpackungsregister LUCID!
- DerGrünePunkt: Ihre Verkaufsverpackung lizenzieren
- EASY-LIZE: Verpackungslizenz FAQ
- Indeed Innovation: Feasibility Case Study – Enabling Circular Economy in MedTech