Strahlenschutzkleidung Qualitätsprüfung und Entsorgung von Röntgenschutzkleidung

Bei intensiver Nutzung weist Strahlenschutzkleidung oft schon nach kurzer Zeit Beschädigungen auf, die die Abschirmwirkung beeinflussen können. (Foto: Tyler Olson, Fotolia)
Bei intensiver Nutzung weist Strahlenschutzkleidung oft schon nach kurzer Zeit Beschädigungen auf, die die Abschirmwirkung beeinflussen können. (Foto: Tyler Olson, Fotolia)

„Körperbereiche, die bei der vorgesehenen Anwendung von Röntgenstrahlung nicht von der Nutzstrahlung getroffen werden müssen, sind vor einer Strahlenexposition so weit wie möglich zu schützen“, schreibt die Röntgenverordnung vor (§ 25 Abs. 3). Erfüllt wird diese Vorschrift vor allem mithilfe von Röntgenschutzkleidung. Diese tragen nicht nur Patienten, sondern auch Radiologen, Operateure und Assistenzpersonal als sogenannte Persönliche Schutzausrüstung (PSA). Aufgrund ihrer so wichtigen Funktion unterliegen Bleischürzen & Co. rechtlichen Vorschriften: Abschirmeigenschaften, Schutzwirkung und Design sind europaweit, die regelmäßigen Qualitätsprüfungen von in Gebrauch befindlicher Schutzkleidung deutschlandweit einheitlich geregelt. Denn bei intensiver Nutzung weist Strahlenschutzkleidung oft schon nach kurzer Zeit Beschädigungen auf, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind, aber die Abschirmwirkung beeinflussen können. Entscheidet der Strahlenschutzbeauftragte, dass die Teile ersetzt werden müssen, stellt sich die Frage: Wohin mit der ausrangierten Schutzkleidung? Wenn diese giftiges Blei enthält, ist die Entsorgung als Sondermüll vorgeschrieben. Abfallmanager Medizin über Hintergründe, die aktuelle Rechtslage und Besonderheiten, die bei Prüfung und Verwertung zu beachten sind.

Das Sicherheitsniveau von Röntgenschutzkleidung war nicht immer so streng normiert wie heute. Noch vor einigen Jahren wurden bleifreie oder bleireduzierte Schutzmaterialien, die gegenüber konventionellen Bleischürzen mit leichterem Gewicht punkteten, falsch beurteilt. Es stellte sich heraus, dass diese eine zu geringe Schutzwirkung aufweisen und bei Bestrahlung sogar eine Eigenstrahlung entwickeln. Erst 2009 hat der Normenausschuss Radiologie eine entsprechende Norm auf den Weg gebracht (heute DIN 6857–2). 2014 folgte der internationale Standard IEC 61331–1/2/3 und die Umsetzung in die EU-Norm DIN EN 61331. Damit gibt es nun ein Messverfahren, das ein einheitliches Sicherheitsniveau für Strahlenschutzmaterialien festschreibt und die Eigenstrahlung von Röntgenschutzkleidung berücksichtigt.

Der erste Teil der Normenreihe – DIN EN 61331-1:2016 – schreibt die korrekte Bestimmung der Abschirmeigenschaften von Materialien im Strahlenschutz fest. Teil 3 – DIN EN 61331-3:2016 – enthält Anforderungen an die Begleitpapiere, an die Ausführung der Schutzmittel und verwendete Materialien. Hier haben sich zum 1. Juli 2017 wichtige Neuerungen ergeben, die der Hersteller Mavig zusammenfasst:

  • Frontbereich der Schutzkleidung muss 60 % des größten Körperumfangs des Anwenders abdecken
  • mehr Transparenz bezüglich der Eigenschaften des verwendeten Strahlenschutzmaterials
  • Angabe des Flächengewichtes auf der Schürze, sodass ein Vergleich der Schutzkleidung für den Anwender leichter fällt
  • Schürzen müssen den Körpermaßen zugeordnet werden, sodass es einfacher wird, ohne Anprobe die passende Schürze auszuwählen

Alte Röntgenschürzen aus dem Verkehr nehmen

Bereits 2014 warnte das Ärzteblatt, dass sich noch immer zahlreiche Röntgenschürzen, die nach dem früheren Messverfahren bewertet wurden und zu höheren Expositionen führen können, in Gebrauch befinden. Für die Erneuerung sind die Klinik- und Praxisleiter verantwortlich. Zur Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten sollten nur Produkte eingesetzt werden, die DIN EN 61331-1:2016, DIN EN 61331-3:2016 und der neuen PSA-Verordnung (EU) 2016/425 entsprechen (ersetzt seit 21. April 2018 die bisherige Richtlinie 89/686/EWG).

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) informiert zur neuen PSA-Verordnung (EU) 2016/425: „Das folgende Jahr ist eine Phase des Übergangs. PSA-Produkte, die der ,alten‘ Richtlinie entsprechen, dürfen bis zum 21. April 2019 noch in Verkehr gebracht werden. EG-Baumusterprüfbescheinigungen nach der Richtlinie gelten noch bis zum 21. April 2023, sofern sie nicht vorher ablaufen. Im Rahmen der Umstellung müssen Hersteller für PSA-Produkte eine Reihe geänderter Kriterien berücksichtigen.“

Arten von Strahlenschutzkleidung

  • Röntgenschürze
  • Röntgenweste
  • Röntgenschutzrock
  • Strahlenschutzdecke
  • Schilddrüsenschutz (Schilddrüsen-Sternumschutz)
  • Röntgenschutzmantel (Rundumschürze)
  • Gonadenschutz zur Abschirmung der Keimdrüsen (Hodenkapsel, Metallschürze, Brustdrüsenschutz)
  • Röntgenschutz für die Augen
  • Röntgenschutz für den Kopf
  • Dental-Strahlenschutzschürze
  • Röntgenschutzhandschuhe
  • sonstige Röntgenschutz-Abdeckungen

Bei vielen chirurgischen Eingriffen tragen Operateure und Assistenten Röntgenschutzkleidung. Etwa bei Katheter-Eingriffen, operativen Behandlungen von Frakturen oder auch Tumor-OPs. Auf Patientenseite ist Strahlenschutzkleidung von nahezu allen Röntgenuntersuchungen bekannt – vom Schutz der Keimdrüsen beim Lunge-Röntgen oder der Dental-Strahlenschutzschürze bei Panoramaschichtaufnahmen.

Konventionelle Bleischutzkleidung versus bleifreie/bleireduzierte Kleidung

Kein Material kann vollständig vor Röntgenstrahlung schützen. Sehr effizient und deshalb in vielen Röntgenräumen und OPs im Einsatz ist das Schwermetall Blei. Es wird nicht nur für die Herstellung von Strahlenschutzkleidung verwendet, sondern beispielsweise auch in Glasscheiben verbaut, die Röntgenräume von Bedienbereichen trennen. Radiologie.de informiert, dass schon eine Materialstärke von 0,25 mm Blei ausreicht, um die Dosis auf 1/10 zu reduzieren. Bei einer Bleidicke von 0,5 mm würden nur noch 3% der Dosis durch das Metall dringen, bei 1 mm reduziert sich der Wert gar auf 0,5%. Hodenkapseln seien in der Regel 1 mm dick, Bleischürzen zwischen 0,25 und 0,5 mm.

Auch andere Metalle eignen sich zur Abschirmung. Befürworter bleifreier oder bleireduzierter Strahlenschutzkleidung argumentieren, bleihaltige Kleidung sei für ihre Träger zu schwer, die Toxizität des Materials erfordere die aufwendige Entsorgung als Sondermüll und die EU fordere ohnehin den konsequenten Blei-Ersatz. Ausschlaggebend für den Einsatz alternativer Materialen muss jedoch zuallererst deren Absorptionsfähigkeit sein. Wie eingangs erwähnt, wurde genau diese bei bleifreien oder bleireduzierten Schutzmaterialien in der jüngeren Vergangenheit falsch beurteilt. Inzwischen ist dieser Fehler in den genannten Normen behoben, deren Einhaltung die Hersteller heute transparent ausweisen.

Natürlich ist auch Gewicht von Röntgenschutzkleidung von großer Bedeutung, denn gerade Operateure und Assistenten müssen Bleischürzen und Bleiwesten teilweise über mehrere Stunden unter ihrer OP-Kleidung tragen und trotz des teils erheblichen, zusätzlichen Gewichts Höchstleistungen abrufen können. Seit April 2018 regelt die Verordnung EU 2016/425 die grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen an persönliche Schutzausrüstungen (PSA). Das IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft hebt Anhang II der Verordnung hervor: „Unbeschadet ihrer Festigkeit und Wirksamkeit müssen PSA so leicht wie möglich sein“ bzw. „so gut wie möglich an die Gestalt des Nutzers angepasst werden können“. Diese Vorgaben würden Anlass geben, Ergonomie und Effizienz von Schutzschürzen zu überdenken.

Abschließend betrachten wir die Mängelanfälligkeit. TÜV Süd stellt in diesem Punkt fest: „Mit den Erfahrungen aller bisher durchgeführten Prüfungen erscheint es generell so, dass die bleifreien beziehungsweise bleireduzierten Materialien anfälliger gegenüber Brüchen/Rissen in Falten sind als das herkömmlich Bleigewebe.“

Bleischürzen jährlich nach DIN 6857-2 prüfen

Der Zustand von Röntgenschutzkleidung muss in Deutschland seit 2016 nach DIN 6857-2 geprüft werden. Bei der jährlichen fachgerechten Qualitätsprüfung werden die verschiedenen Kleidungsstücke durchleuchtet, festgestellte Mängel bzw. Defekte dokumentiert und Schutzkleidung mit Mängeln aussortiert. Wie TÜV Süd mitteilt, haben die unterschiedlichen Hersteller der Strahlenschutzkleidung verschiedene „Problemzonen“ – zum Beispiel im Bereich der Nähte, Schulter- und Nackenbereiche oder dem Bereich der Schlaufen zum Aufhängen der Röcke.

Entsorgung bleihaltiger Röntgenschürzen

Aussortierte, bleihaltige Röntgenschürzen müssen aufgrund ihrer Toxizität als Sondermüll entsorgt werden. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat sich 2015 in ihrer Mitteilung 18 dazu positioniert und erklärt: „Bleihaltige Röntgenschürzen sind getrennt zu erfassen und möglichst einer stofflichen Verwertung zuzuführen. Die Möglichkeit der Rückgabe an den Hersteller ist zu prüfen. Für die getrennte Entsorgung soll der AS 15 02 02* (Aufsaug- und Filtermaterialien (einschließlich Ölfilter a.n.g.), Wischtücher und Schutzkleidung, die durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind) verwendet werden. Chlorfreie Kunststoffe in der Ummantelung erleichtern die thermische Rückgewinnung von Metallen, dies sollte bereits bei der Beschaffung berücksichtigt werden.“

Stoffliche Verwertung von Bleiwesten

Ein Vorteil von Blei ist seine nahezu hundertprozentige Wiederverwendbarkeit. Zertifizierte Entsorgungsunternehmen setzen dabei auf geprüfte Verfahren, bei denen die Kleidung zunächst verascht und dann thermisch weiter bearbeitet wird. So kann das reine Blei gewonnen und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden.

Quellen

Bei intensiver Nutzung weist Strahlenschutzkleidung oft schon nach kurzer Zeit Beschädigungen auf, die die Abschirmwirkung beeinflussen können. (Foto: Tyler Olson, Fotolia)
Bei intensiver Nutzung weist Strahlenschutzkleidung oft schon nach kurzer Zeit Beschädigungen auf, die die Abschirmwirkung beeinflussen können. (Foto: Tyler Olson, Fotolia)