Neue Gesetze, angepasste Vorschriften und erweiterte Entsorgungsrichtlinien sorgen seit knapp fünf Jahren für Bewegung im medizinischen Abfallmanagement in Tschechien. Vor allem die Einführung des neuen Abfallgesetzes im Jahr 2020 sorgte dafür, dass viele Kliniken ihre Prozesse optimieren bzw. entsprechende Strukturen aufbauen mussten. Im Interview gab uns Terezie Pačesová – Expertin für Entsorgungs- und Umweltmanagement aus dem tschechischen Prag – einen Einblick, wie das medizinische Abfallmanagement im tschechischen Gesundheitswesen funktioniert und erzählte uns, mit welchen Herausforderungen Kliniken in den letzten Jahren konkret konfrontiert waren.
Zur Person: Dipl.-Ing. Terezie Pačesová
- 1994 – 2000 Masterstudium Umwelttechnik an der Technischen Universität Prag
- 2001 – 2002 Aufbaustudium im Bereich Umweltschutztechnik an der Technischen Universität München
- seit 2016 GREEN Solution GmbH als externer Abfallbeauftragter – u.a. für das Krankenhaus in Mělník (Mitglied der internationalen Gruppe VAMED MEDITERRA)
- seit 2016 Externe Referentin für Kreislaufwirtschaft an der Hochschule für Chemie und Technik Prag
Frau Pačesová, geben Sie uns bitte einen Einblick in das medizinische Abfallmanagement in der Tschechischen Republik. Welche Abfälle fallen in Kliniken an?
Ähnlich wie in Deutschland werden auch in Tschechien medizinische Abfälle in die Unterkategorie 18 01 des Abfallkatalogs eingeordnet. Der größte Teil der medizinischen Abfälle wird als infektiöser Abfall gemäß AS 18 01 03 eingestuft. Zu dieser Abfallart gehören alle Abfälle, die mit Patientinnen und Patienten in Kontakt kommen und (potenziell) infektiös sind. Die Unterscheidung zwischen infektiösen und nicht-infektiösen Abfällen wird häufig durch die Vorgehensweise der örtlichen Gesundheitsverwaltung bestimmt.
In der Tschechischen Republik ist die Verantwortung für die Entsorgung medizinischer Abfälle zweigeteilt: Die Zuständigkeit für die Entsorgung liegt beim Umweltministerium, während Aufgaben der Infektionsprävention und des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in die Verantwortung des Gesundheitsministeriums fallen. Die Pflicht zur Infektionsprävention regelt dabei, wie lange und unter welchen Bedingungen Abfälle – insbesondere infektiöse Abfälle – in den Einrichtungen gesammelt und entsorgt werden müssen. Gleichzeitig fallen auch andere Abfälle an, deren Menge von der erbrachten Pflege abhängt. Dazu gehören Abfälle mit Verletzungsgefahr, pathologische Abfälle (Körperteile, Organe und Blut), unbrauchbare Medikamente, Zytostatika sowie spezielle chemische Abfälle. Hinzu kommen spezifische medizinische Abfälle wie mit Blut, Urin oder anderen Körperflüssigkeiten kontaminierte Produkte wie Verbände, Windeln usw.
Wie ist die Entsorgung der medizinischen Abfälle rechtlich geregelt?
Das medizinische Abfallmanagement ist in den letzten fünf Jahren von viel Bewegung geprägt. 2020 wurde ein neues Abfallgesetz eingeführt, das teilweise zu umfassenden Änderungen im Abfallmanagement geführt hat. Dazu gehört beispielsweise die Pflicht, einen Abfallbeauftragten zu benennen. Die rechtlichen Anpassungen sollen das tschechische Abfallmanagement im Sinne des European Green Deals neu aufstellen, sodass das Thema Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus rückt.
Neben zahlreichen Änderungen im tschechischen Abfallrecht und Erweiterungen des Abfallkatalogs gab es zum 1. Januar 2025 auch eine Reihe von Anpassungen bei der Klassifizierung einiger medizinischer Abfälle. Bis Ende letzten Jahres wurden nicht-infektiöse scharfe und spitze Gegenständen sowie (potenziell) infektiöse scharfe und spitze Gegenstände gemeinsam nach Abfallschlüssel 18 01 01 klassifiziert, wobei unterschieden wurde, ob sie als gefährliche oder nicht gefährliche Abfälle behandelt wurden. Diese Unterscheidung wird nun auch im Abfallschlüssel ersichtlich, in dem beispielsweise gebrauchte Nadeln, Glasinfusionen u.ä., die direkten Patientenkontakt hatten, oder scharfe Gegenstände (Laborobjektträger), die mit menschlichen Sekreten in Berührung kamen, jetzt unter der Katalognummer 18 01 03 01 eingeordnet sind. Ein nicht-scharfer, aber dennoch (potenziell) infektiöser Gegenstand wird weiterhin nach AS 18 01 03 klassifiziert. Eine ähnliche Änderung gab es auch für infektiöse-pathologische Abfälle, die seit 2025 statt nach Abfallschlüssel 18 01 02 nun unter 18 01 03 02 eingeordnet werden.
Im tschechischen Abfallgesetz sind für medizinische Abfälle zudem spezifische Abfallbehälter festgelegt. So müssen beispielsweise für scharfe/spitze Abfälle zertifizierte Einwegbehälter verwendet werden. Ebenso sind für nicht-scharfe infektiöse Abfälle Sackstärken vorgeschrieben. Hier gilt: 0,1 mm für infektiöse Abfälle und 0,2 mm für hochinfektiöse Abfälle. Um potenzielle Fehlwürfe zu vermeiden, nutzen Gesundheitseinrichtungen zusätzlich eigene Farbleitsysteme, eine einheitliche Regelung für die gesamte Republik gibt es zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht.
Organisation von Abfalltrennung und Entsorgungsmanagement
Wie wird das Abfallmanagement in tschechischen Einrichtungen umgesetzt?
Im Allgemeinen wird dies durch die Betriebspläne gewährleistet. Jede Einrichtung muss über einen Betriebsplan verfügen, der von der Gesundheitsverwaltung anerkannt sein muss. Die Anweisungen zur Behandlung medizinischer Abfälle sind in einem vorgeschriebenen Anhang zum Betriebsplan festgehalten. Dieser ist mit dem deutschen Abfallkonzept vergleichbar. Der genaue Inhalt dieser Anweisungen – darunter die Aufschlüsselung der Abfallarten, die zu verwendenden Sammelbehälter und die Ausweisung der Sammelstellen – ist in der Durchführungsverordnung zum Abfallgesetz festgelegt. Alle Mitarbeitenden sind verpflichtet, sich mit diesen Betriebsvorschriften vertraut zu machen. Darüber hinaus gibt es in größeren Einrichtungen interne Abfallrichtlinien. Hier wird die Art und Weise der Behandlung noch detaillierter beschrieben – inklusive einer genaueren Festlegung der Zuständigkeiten.
Wer trägt innerhalb des Krankenhauses die Hauptverantwortung für das Abfallmanagement? Gibt es einen speziell dafür zuständigen Ansprechpartner oder ein Team?
Mit dem neuen tschechischen Abfallgesetz sind Gesundheitseinrichtungen erstmals verpflichtet, eine verantwortliche Person für die Behandlung von Abfällen aus dem Gesundheitswesen zu benennen. Diese Pflicht gilt ab einem Aufkommen von 10 Tonnen medizinischer Abfälle pro Jahr. Das Gesetz legt fest, welche Ausbildung und Praxis diese Person haben muss. Abfallbeauftragte sind verpflichtet, gesetzeskonforme Prozesse zu etablieren und das Abfallmanagement zu überwachen. Die Hauptverantwortung liegt allerdings bei der Leitung der Gesundheitseinrichtung. Kliniken haben auch die Möglichkeit, extern eine Person für das Entsorgungsmanagement zu bestellen. Obwohl der Bedarf an Spezialisten für medizinische Abfälle noch relativ neu ist, lassen sich viele tschechische Einrichtungen bereits seit Jahren zu Fragen des Abfallmanagements beraten.
Wie funktioniert der Prozess der Abfalltrennung? Welche Schritte werden unternommen, um sicherzustellen, dass Abfälle korrekt getrennt werden?
Die Sortierung erfolgt am Ort des Abfallaufkommens, womit die erzeugten Abfälle direkt über die vorgeschriebenen Behälter zu entsorgen sind. Jeder Abfallbehälter muss in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften ordnungsgemäß gekennzeichnet sein. Gegebenenfalls können zusätzliche Kennzeichnungen angebracht werden, die allerdings nur der Orientierung des Personals dienen. Als Kontrollmechanismus werden örtliche Untersuchungen in Form von stichprobenartigen Kontrollen der Containerinhalte durchgeführt. Hinzu kommt die regelmäßige Kontrolle einzelner Behälter mit sortierten Abfällen wie Kunststoff, Papier oder Glas.
Persönlich habe ich mit Abfalltrennplakaten, die das Entsorgungsmanagement vereinfacht darstellen, die besten Erfahrungen gemacht. Hier zeigen wir unseren Kolleginnen und Kollegen mithilfe einfacher Bildsprache auf, welche Abfallarten unterschieden werden, welche Behälter zu verwenden und wie diese zu kennzeichnen sind. Bei einer hohen Zahl an Fehlwürfen oder anderen Reibungspunkten im Abfallmanagement setze ich auf Vor-Ort-Termine, sodass Probleme direkt an Ort und Stelle besprochen werden können.
Gibt es Schulungen oder Anleitungen für das Personal, um das richtige Abfallmanagement zu gewährleisten?
Das neue Abfallgesetz schreibt eine regelmäßige Schulung des gesamten Gesundheitspersonals vor, vom Management über das medizinische Personal bis hin zum Reinigungspersonal. Bei einem Abfallaufkommen von mehr als zehn Tonnen medizinischerAbfälle pro Jahr muss das Personal mindestens einmal pro Jahr geschult werden, bei geringerem Aufkommen alle drei Jahre. Das bedeutet, dass auch das Personal in der ambulanten Praxis mindestens einmal alle drei Jahre geschult werden sollte. In der Durchführungsverordnung sind auch die obligatorischen Inhalte einer solchen Schulung für bestimmte Berufe in der Gesundheitseinrichtung festgelegt. Persönlich halte ich die Schulung des Personals für sehr wichtig und versuche daher, die medizinischen Einrichtungen im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten bei dieser Tätigkeit zu unterstützen.
Die Fortbildung kann in verschiedenen Formen erfolgen. Ich empfehle, neues Personal mit einem persönlichen Vorort-Termin zu schulen, Auffrischungstermine können auch online erfolgen. Für einige Schlüsselpositionen im Bereich der Abfallwirtschaft bestehe ich hingegen auf eine persönliche Schulung. Unabhängig davon, wie die Schulung abläuft, ist es auch ratsam, erlerntes Wissen mit einem Online-Test o. ä. regelmäßig zu prüfen.
Entwicklungen und Zukunft des tschechischen Abfallmanagements
Welche Veränderungen gab es in den letzten Jahren im medizinischen Abfallmanagement?
Neben der Vielzahl an rechtlichen Veränderungen, die Anpassungen erforderten, ist besonders die viel konsequentere Abfalltrennung auffällig. Die Entsorgung von Restabfall und Sperrmüll ist, abgesehen von gefährlichen Abfällen, am kostenintensivsten. Daher ist es auch wirtschaftlich vorteilhaft, diese Abfälle zu reduzieren und möglichst viel zu verwerten. Hinzu kommt, dass die Zahl der Verpackungskomponenten zunimmt, sodass allein die Sortierung von beispielsweise Pappe, die gepresst und als Rohstoff weitergegeben wird, ein Gewinn für die Gesundheitseinrichtung sein kann. Ich erinnere mich aber auch noch an eine Zeit, in der es gelegentlich ambulante Arztpraxen gab, in denen für gebrauchte Spritzen statt zertifizierten Einwegboxen verschiedene geleerte Verpackungen von Reinigungs- oder Waschmitteln verwendet wurden. Diese Zeiten gehören zum Glück der Vergangenheit an.
Nachhaltigkeitsmaßnahmen gewinnen auch im tschechischen Gesundheitswesen immer mehr an Bedeutung. Gibt es Hürden bei der Implementierung?
Konkrete Maßnahmen, darunter die ESG-Berichte, führen auch zu Bemühungen, die Abfallströme besser zu unterscheiden, nachdem die Abfälle das Gelände der Gesundheitseinrichtung verlassen haben. Allerdings lässt die Berichterstattung hier die Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts vermissen. Nachhaltigkeit muss für mich aber immer ganzheitlich begriffen werden. Großes Thema in der Abfallwirtschaft sind deshalb auch die Transportwege. Nicht alle Regionen verfügen beispielsweise über Anlagen, die infektiöse Abfälle behandeln können, sodass das diese teilweise über hundert Kilometer transportiert werden müssen.
Zudem fehlen aktuell noch gute Recycling-Technologien bzw. rechnet sich die Aufbereitung vieler Produkte bis dato nicht, sodass viele wertvolle Rohstoffe nicht in den Kreislauf zurückgegeben werden. Hier braucht es meiner Meinung nach eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Herstellern und Entsorgen, sodass neue Ansätze entwickelt werden können.
Wie sehen Sie die Zukunft des Abfallmanagements in tschechischen Gesundheitseinrichtungen? Gibt es Pläne oder Ziele für weitere Verbesserungen?
Es sollte wahrscheinlich erst einmal überprüft werden, ob alle gesetzlichen Verpflichtungen noch die Erwartungen erfüllen oder sie gegebenenfalls überarbeitet werden müssen. Abgesehen von den gesetzlichen Regelungen wünsche ich mir persönlich ein Abfallmanagementsystem, das so viel Sinn wie möglich macht. Hier müssen wir noch multidisziplinär denken und arbeiten. Zukünftig sollten wir uns deshalb bereits beim Einkauf Gedanken zur End-of-Life-Phase eines Produktes machen. Das heißt auch, dass wir uns stärker auf die Abfallvermeidung konzentrieren müssen, die mit der Verringerung von Wegwerfprodukten verbunden ist. Aktuell sehe ich hier aber leider sehr oft einen gegenteiligen Trend.
Aber es gibt bereits jetzt verschiedene Ansätze, Maßnahmen und Produkte, um den Ressourcenschutz zu forcieren. Allerdings braucht es dafür einen viel intensiveren Erfahrungsaustausch in unserer Branche – auch über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Eine geeignete Plattform ist dafür beispielsweise auch der Expertentreff des Abfallmanagers Medizin, den ich im letzten Jahr in Würzburg besuchen konnte.
Vielen Dank für das Gespräch!