Einkauf Einkauf und Beschaffung im Gesundheitswesen nachhaltiger ausrichten

Mensch in Kittel mit Unterlagen in der Hand. (Foto: ipopba)
Mensch in Kittel mit Unterlagen in der Hand. (Foto: ipopba)

In einem Krankenhaus der Maximalversorgung sind bis zu 40.000 verschiedene Materialien, Instrumente und Arzneimittel keine Seltenheit. Mit diesem großen Produktvolumen nimmt der Einkauf nicht nur eine wichtige Rolle in der Versorgung der Patientinnen und Patienten ein, sondern hat auch einen entscheidenden Einfluss auf den CO2-Fußabdruck der Einrichtungen. Gerade im Kontext aktueller Bemühungen im Gesundheitswesen hat die Senkung der Emissionen Priorität. Um nachhaltige Produktalternativen wählen zu können, Ressourcen einzusparen, Abfälle zu reduzieren und damit die Umweltbelastung der Einrichtung nachweislich zu senken, ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen einer Klinik unerlässlich.

Medikamente, Verbrauchsmaterialien, Instrumente, Büroartikel, Lebensmittel und vieles mehr – all diese Produkte werden in meist großen Mengen täglich in Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens benötigt. Die Verantwortung für deren strategische Beschaffung liegt in den meisten Fällen bei einer gesonderten Abteilung: dem Einkauf. Dieser kümmert sich unter anderem um die Bereitstellung der medizinischen und nicht-medizinischen Produkte, die Verhandlung von Verträgen mit Herstellern und Händlern sowie die Lagerhaltung. In größeren Häusern wird der Einkauf in vielen Fällen direkt den Verantwortlichen aus den Spezialabteilungen – wie der Verwaltung, der Speisenversorgung, dem Bauwesen oder der Energieversorgung – überlassen.

Nachhaltigkeitstransformation im Gesundheitswesen

Das Beschaffungsmanagement ist vor allem in größeren medizinischen Einrichtungen ein wichtiger Hebel zur Unterstützung der Nachhaltigkeitstransformation im Gesundheitswesen. Auch mit der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ab 2025 für viele Kliniken verpflichtend sein wird, kommt dem Einkauf eine wichtige Rolle zu. Zur nachhaltigen Ausrichtung des Einkaufs und bestmöglichen Nutzung von Ressourcen muss die Beschaffung enge Absprachen mit allen anderen Abteilungen treffen. Alle Mitarbeitenden können Einsparpotenziale identifizieren, an den Einkauf spiegeln und so dafür sorgen, dass beispielsweise Produkte mit einem geringeren Verpackungsvolumen oder Materialien bzw. Produkte bestellt werden, die (vollständig) recycelt werden können. Durch Anpassungen im Einkauf kann so ein entscheidender Beitrag zur Reduktion der Emissionslast geleistet werden.

Probleme der Kreislaufwirtschaft im medizinischen Einkauf

Nachhaltige Produktalternativen wie Mehrweginstrumente oder waschbare OP-Abdeckungen sind in den meisten Fällen bedeutend teurer als Einmalprodukte. Für viele Kliniken ist die Entscheidung für diese Waren daher vor allem eine Kostenfrage. Aufgrund des enormen ökonomischen Drucks im Gesundheitswesen wird oft die günstigere, abfallreichere Wegwerfoption gewählt. Da die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wächst, sind Hersteller gezwungen, Alternativen anzubieten, die sich für Kliniken auch aus ökonomischer Sicht rentieren. Hier kann der Einkauf mit konkreten Forderungen direkten Einfluss auf den Markt nehmen. Noch besser gelingt dies innerhalb von Verbänden oder Einkaufinitiativen, die den Druck auf den Herstellererhöhen können. Aber auch durch Anpassungen der eigenen Vergabekriterien können Kliniken die Nachfrage und damit auch das Angebot nachhaltiger Produkte erhöhen. Aufgrund fehlender Kennzeichnungspflichten sind nachhaltige Produkte aber nur schwer zu identifizieren und ressourcenschonende sowie abfallarme Alternativen fehlen in vielen Produktkategorien bis dato gänzlich. Zudem ist die Menge der bereits vorhandenen grünen Produkte aktuell noch nicht ausreichend, um alle medizinischen Einrichtungen mit alternativen Instrumenten, Materialien oder ähnlichem zu versorgen.

Ressourcenschutz im Krankenhaus braucht nachhaltige Lieferketten

Eine wichtige Rolle im Bereich Nachhaltigkeit spielt auch die Berücksichtigung der Lieferketten. Eine rechtliche Grundlage schafft hier das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz  – kurz Lieferkettengesetz. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und Maßnahmen des Umweltschutzes innerhalb der Lieferketten. Seit dem 1. Januar 2023 gilt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden, seit 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000. Diese gewissenhafte Auseinandersetzung mit den Produkt-Lieferketten und damit die Möglichkeit,  ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger einzukaufen, hat auch einen positiven Effekt auf das Abfallmanagement. Auf europäischer Ebene sorgt die Lieferkettenrichtlinie, welche das deutsche Lieferkettengesetz ergänzen soll, aktuell aber für Spannungen.

Grüne Einkaufsstrukturen senken den CO2-Fußabdruck

Nachhaltige Einkaufsstrukturen begrenzen sich aber nicht nur auf Verbrauchsprodukte, sondern sind auch bei der Beschaffung von Elektro- und oder medizinischen Geräten, im Bereich der Energieversorgung, Logistik oder auch im Einkauf regionaler und saisonaler Lebensmittel essenziell. Hier müssen die Beschaffungsabteilungen in enger Absprache mit anderen Abteilungen der Klinik – z. B. der Speisenversorgung, den Mitarbeitenden aus der Reinigung oder auch aus der Logistik – zusammenarbeiten. Kliniken brauchen dafür einheitliche und transparente Vorgaben an die Hersteller und Lieferanten, um Produkte zu erhalten, die über einen geringen CO2-Fußabdruck verfügen und/oder aus nachhaltigen Materialien hergestellt sind.

Nachhaltigkeit im Einkauf erfolgreich umsetzen

Damit der Einkauf zu einer wichtigen Stellschraube in der nachhaltigen Ausrichtung des Gesundheitswesens werden kann, müssen Kliniken und andere medizinische Einrichtungen verschiedene Maßnahmen beachten. Bei der Umstellung auf nachhaltige Strukturen handelt es sich um einen Prozess, bei dem viele Faktoren zu beachten sind:

  • Erarbeitung von Nachhaltigkeitskriterien für den Einkauf unter Einbezug aller Abteilungen
  • Verantwortlichkeiten für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Einkauf festlegen
  • Nachhaltigkeitsprozesse in die gesamt Beschaffung integrieren
    Berücksichtigung von Umweltkriterien im Bestellverhalten (z. B. Berücksichtigung von Umweltlabels wie Blauer Engel etc.)
  • Priorisierung von Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Umweltfreundlichkeit bei Ausschreibungen
  • Transparente Kommunikation verwaltungsinterner Beschaffungshinweise
  • Einforderung von Nachweisen zu Umweltstandards bei langjährigen Herstellern und Lieferanten
  • Verlängerung der Nutzungsphasen von technischen Geräten
  • Transparente Gestaltung der Lieferketten
  • Erstellung von jährlichen Nachhaltigkeitsberichten speziell für die Beschaffung
    Nachhaltigkeitscontrolling

Beschaffung in Kliniken profitiert von Einkaufsgemeinschaften

Im Gesundheitswesen bilden zahlreiche Einkaufsgemeinschaften, die Beschaffungsverantwortliche aus verschiedenen Einrichtungen bündeln, eine Schnittstelle zwischen Krankenhäusern und der Industrie und unterstützen die medizinischen Einrichtungen unter anderem in der Optimierung und nachhaltigen Ausrichtung ihrer Beschaffungsstrukturen. Durch die Zusammenarbeit mit einer solchen Einkaufsgemeinschaft können beispielsweise Gemein- und Sachkosten für Materialien gesenkt werden, denn durch gemeinsame Verhandlungen können bessere Preise erzielt werden. Zusätzlich unterstützen Netzwerke wie viamedica oder ZUKE Green Kliniken mit Schulungen, Beratung und verschiedenen Analysen aus den Bereichen Finanzen oder Prozessoptimierung, um das Beschaffungsmanagement in den Einrichtungen zu optimieren. Je nach Ausrichtung der Einkaufsgemeinschaft stehen beispielsweise auch die Energie- und Haustechnik im Fokus.

Zusätzlich ist für die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaften auch das Netzwerken mit Mitarbeitenden aus anderen Kliniken ein entscheidender Vorteil. In den meisten Fällen stammen diese aus unterschiedlichen Abteilungen, sodass ein interdisziplinärer Austausch möglich ist – das fördert die Verbreitung bewährter Verfahren, eine offene Fehlerkultur sowie die Auseinandersetzung mit innovativen Ideen im Bereich des nachhaltigen Abfallmanagements.

Nachhaltigkeit durch Zusammenarbeit von Einkauf und Abfallmanagement im Krankenhaus

Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Einkauf und Abfallmanagement ist von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche nachhaltige Ausrichtung von Krankenhäusern – das betont Nicole Krojer (ZUKE Green) im Gespräch mit der Abfallmanager-Medizin-Redaktion. Im Fokus sollte hier vor allem eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den Abteilungen stehen, um Strategien zu entwickeln, mit denen Abfallmengen effektiv reduziert werden können. Hier sei die frühzeitige Einbindung des Einkaufs in den Entscheidungsprozess für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen ein entscheidender Faktor, so Krojer. Die kooperative Arbeitsweise trage maßgeblich dazu bei, nachhaltige Prinzipien in der gesamten Wertschöpfungskette zu verankern und Mitarbeitende aus unterschiedlichen Fachbereichen in Prozesse einzubeziehen. Mithilfe eines solchen ganzheitlichen Ansatzes können nachhaltige Strukturen langfristig umgestellt und das Gesundheitswesen ressourcenschonend ausgerichtet werden. Damit wird vor allem deutlich, dass eine abteilungsübergreifende Kommunikation und daraus resultierende Maßnahmen die Basis für eine nachhaltige Ausrichtung sind. Entscheiden sich Kliniken für diese, gehört die Optimierung der Kommunikationsstrukturen zu ihren ersten wichtigen Aufgaben.

Hersteller fokussieren die nachhaltige Ausrichtung des Gesundheitswesens

Eine große Verantwortung für die Reduzierung medizinischer Abfälle und damit für die nachhaltige sowie ressourcenschonende Ausrichtung des Gesundheitswesens liegt vor allem bei den Medizinprodukte-Herstellern. Viele Unternehmen der MedTech-Branche arbeiten bereits an nachhaltigen Alternativen, mit denen Ressourcen geschont und gleichzeitig die Sicherheit der Patientinnen und Patienten dauerhaft sichergestellt werden. Clara Mailin Allonge vom Bundesverband Medizintechnologie e. V. betont hier auf Anfrage des Abfallmanager Medizin, dass sowohl die Entwicklung als auch die Etablierung nachhaltiger Alternativen sehr kosten- und zeitintensiv ist. Da die Medizintechnik-Branche vielen Regularien – wie beispielsweise verpflichtenden Zertifizierungen von Materialien, Herstellungsprozessen sowie Zulieferern und unterschiedlichen Sicherheitsregeln – unterliegt, geht es hierbei nur sehr langsam voran. Zur Etablierung nachhaltiger Standards und der Umsetzung der im European Green Deal vorgeschriebenen nachhaltigen Ausrichtung der Branche steht der Bundesverband den Herstellern auch beratend zu Seite.

Für die nachhaltige Transformation des Gesundheitswesens ist die Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder – Hersteller, Klinken und Entsorger – von besonderer Wichtigkeit. Viele dieser nachhaltigen (Pilot-)Projekte sind auf eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten angewiesen. Damit beispielsweise Rücknahmesysteme von benutzten OP-Instrumenten funktionieren können, sind laut Clara Allonge zwischen der Klinik und dem Hersteller festgelegte Rahmenbedingungen essenziell. Diese ermöglichen die strukturierte und sichere Rückführung der Medizinprodukte in den Wertstoffkreislauf. Hier zieht auch der Medizinprodukte-Hersteller Johnson & Johnson eine positive Bilanz aus seinem Rücknahmeprojekt in Schweizer Kliniken. Seit dem Start im April 2021 konnten bereits über 54.000 medizinische Einweginstrumente in den Recyclingkreislauf zurückgegeben werden.

Zukunft des Gesundheitswesens braucht gesetzliche Rahmenbedingungen

Ein weiterer hochrelevanter Akteur ist die Politik. Hier braucht es einheitliche Gesetze, um sowohl Verbrauchern als auch Herstellern geeignete Rahmenbedingungen an die Hand zu geben. Laut Clara Allogne bräuchte es vonseiten der Politik beispielsweise die Zulassung für elektronische Gebrauchsanweisungen, um so den Papier-, Wasser- und Energieverbrauch in der Herstellung, Ressourcen in der Logistik sowie Abfälle beim Endverbraucher zu reduzieren. Die Branche stehe für konkrete Schritte bereit, benötigt von der Politik aber eine rechtliche Grundlage. Der Bundesverband Medizintechnologie fordert hier die Einbindung der Medizinbranche in die gesetzgeberischen Planungen, um einerseits die Patientensicherheit zu priorisieren und andererseits eine gewisse Planungssicherheit zu erhalten.

Der Einkauf als Einflussfaktor auf das Abfallmanagement

Eine der größten Abfallgruppen in Kliniken sind Verpackungsabfälle Verpackungsabfälle. Um diese zu reduzieren und damit einen wertvollen Beitrag für die Umwelt zu leisten, kann bereits in der Beschaffung auf möglichst abfallarme Produkte geachtet werden. Hier können beispielsweise größere Kanister mit Laborlösungen o. ä. bestellt werden. Ganz ohne Verpackung geht es in der Medizin aber nicht, denn viele Instrumente und Materialien sind aufgrund hygienischer Vorgaben einzeln verpackt. Hier haben Sicherheit und Arbeitsschutz Priorität vor nachhaltigen Bemühungen. Der Fokus liegt daher vor allem auf recyclingfähigen Materialien oder Mehrweginstrumenten, um Abfälle zu reduzieren und wertvolle Ressourcen in den Kreislauf zurückzugeben. Gerade bei der Aufbereitung von Mehrweginstrumenten müssen Kliniken aber abwägen, wie umweltfreundlich diese im Vergleich zu Einweginstrumenten sind, denn bei deren Aufbereitung werden je nach Produkt wiederum viele Ressourcen verbraucht.

Nachhaltigkeit im Einkauf: Eine Herausforderung?

Mit der Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte gewinnt der Einkauf in medizinischen Einrichtungen zunehmend an Komplexität. Wenn vorab vor allem finanzielle Aspekte den größten Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein Produkt hatten, nimmt die Bedeutung ressourcenschonender Alternativen immer stärker zu. Entscheiden sich Kliniken zukünftig immer verstärkter für nachhaltige, ressourcenschonende und recyclingfähige Produkte, macht sich dies auch im Abfallmanagement deutlich bemerkbar. Denn so können Abfälle reduziert und die Verwertungsquote möglichst hochgehalten werden, ohne die Sicherheit der Patienten zu gefährden. Damit ist der Einkauf im Krankenhaus eine unabdingbare Größe, wenn Kliniken den Zielen des Green Deals und der Kreislaufwirtschaft zukünftig gerecht werden wollen.

Quellen

Mensch in Kittel mit Unterlagen in der Hand. (Foto: ipopba)
Mensch in Kittel mit Unterlagen in der Hand. (Foto: ipopba)