Expertentreff 2025 Zukunft im Gesundheitswesen: Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Transformation

Gruppenfoto; 11 Personen auf Balkon (Bild: Redaktion Abfallmanager Medizin)
Zukunft im Gesundheitswesen: Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Transformation - darüber sprach Moderatorin Katrin Sturm mit Andre Alter, Johanna Köhnlein, Heiko Schlüter, Andreas Böttger, Hollyn Hartlep, Hans Peter Kiefler, Agnes Höferle, Ruben Zobel, Charlotte Jansen und Monique Moch-Lasok (v. l. n. r.) sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Expertentreffs. (Bild: Redaktion Abfallmanager Medizin)

Steigende Kosten, zunehmende regulatorische Vorgaben und der wachsende Druck, ökologisch nachhaltiger zu arbeiten, prägen die Entwicklungen im Gesundheitswesen. Kliniken, Labore und andere medizinische Einrichtungen müssen umdenken und sich transformieren. Eine zentrale Rolle spielt hier die effiziente und durchdachte Nutzung vorhandener Ressourcen. Das heißt vor allem auch, Abfälle zu vermeiden und den Lebenszyklus von Rohstoffen, beispielsweise in Form von Rezyklaten, entsprechend zu verlängern. Im Rahmen des diesjährigen Expertentreffs am 24. September in Hamburg haben wir uns intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt und verschiedene Perspektiven dazu beleuchtet.

Gerade für Abfallbeauftragte, aber auch Nachhaltigkeitsmanagerinnen und -manager sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Einkauf, Hygiene sowie Arbeits- und Brandschutz wird die Umsetzung einer gelebten Kreislaufwirtschaft immer mehr zur strategischen Aufgabe. Darüber diskutierten auch die über 60 Teilnehmenden des 6. Expertentreffs in Hamburg. Sie sprachen über die Potenziale der Kreislaufwirtschaft und die damit verbundenen Probleme, moderne und zukunftsfähige Verwertungsmethoden, die aktuelle Gesetzeslage, aber auch konkrete Praxisbeispiele aus dem Klinikalltag. Das Ergebnis: Auch wenn sie das Gesundheitssystem nicht grundlegend verändern kann, eröffnet Kreislaufwirtschaft Kliniken eine Reihe von Chancen. Gleichzeitig sind damit Anforderungen verbunden, die Lösungen erfordern und eine enge Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Herstellern, Politik und Entsorgern notwendig machen.

Abfallmanagement: Herausforderung im Klinikalltag?

Kreislaufwirtschaft steht und fällt mit der Abfalltrennung und geeigneten Recyclingwegen. Grundvoraussetzung für eine korrekte Trennung und Entsorgung ist das entsprechende Wissen – und damit auch die gezielte Schulung aller Mitarbeitenden. Nur wenn diese verstehen, wie Abfälle gemäß ihrer Abfallschlüssel entsorgt und warum Abfälle getrennt werden, kann Kreislaufwirtschaft gelingen. Laut Charlotte Jansen, Beauftragte für Nachhaltigkeit und Umweltmanagement am Klinikum Lüneburg, ist Transparenz in diesem Punkt essenziell. Die Erklärung „Wir trennen, weil wir trennen (müssen)“, reicht schlicht nicht mehr aus, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren.

Auch wenn es in nahezu allen Kliniken umfassende Schulungskonzepte gibt, gestaltet es sich teilweise schwierig, Wissen zu vermitteln. Das lässt sich einerseits auf die Ablehnung langjähriger Strukturen und Umstrukturierungen zurückführen, andererseits auf Sprachbarrieren und ähnliche Faktoren. Viele Abfallbeauftragte stoßen insbesondere bei Schulungen von Zeitarbeits- oder externen Reinigungskräften regelmäßig an ihre Grenzen. Deshalb sollten sie auf einfach und verständlich formulierte Aushänge und Arbeitsanweisungen setzen – idealerweise auch in mehreren Sprachen – und verstärkt Begehungen durchführen, um bei Bedarf direkt Verbesserungen vorzunehmen.

Eine weitere Möglichkeit: Farbleitsysteme zur Abfalltrennung. Die haben sich in vielen Einrichtungen als bewährte Methode erwiesen. Bis heute gibt es allerdings kein deutschland- oder sogar EU-weites einheitliches Behälterfarbleitsystem. Obwohl die meisten Abfallbeauftragten ein einheitliches Farbleitsystem – insbesondere zur besseren Orientierung für externe Mitarbeitende – als sinnvoll erachten, gab es innerhalb des Expertentreffs auch kritische Stimmen.

Best Practice: Wie Kliniken in Sachen Kreislaufwirtschaft voneinander lernen können

Abfallbeauftragte sind in ihrem Arbeitsalltag mit ähnlichen Problemen konfrontiert: Personelle und zeitliche Engpässe, unsachgemäße Abfallentsorgung sowie der schwierige Spagat zwischen Hygieneanforderungen und Nachhaltigkeit. Warum nicht stärker von den Erfahrungen oder bewährten Lösungsstrategien anderer Häuser profitieren? Andreas Böttger, Abfall-, Umweltschutz- und Sicherheitsbeauftragter am Eichsfeld Klinikum, sprach in seinem Vortrag sowie im abschließenden Diskussionsformat mit den Teilnehmenden darüber, wie ein gutes Entsorgungsmanagement in der Praxis umgesetzt werden kann – und darüber, was insbesondere kleinere Einrichtungen von großen Häusern lernen können.

Unabhängig von der Größe der Einrichtung können Kliniken untereinander von einer Vielzahl an verschiedenen Projekten profitieren. Gerade der Dialog mit anderen Einrichtungen kann dazu beitragen, Einsparungspotenziale zu identifizieren und inspirierende Projekte – auch in abgewandelter Form – auf die eigene Klinik zu übertragen. Dazu zählen beispielsweise die Nutzung von Mehrwegverpackungen in der Kantine, Rücknahmesysteme für Tonerkartuschen wie im Klinikum Eichsfeld oder das Recycling von Papierhandtüchern aus Waschräumen wie im ISAR Klinikum .  Auch Kampagnen wie „#MitOderOhne“ für den bewussten Einsatz von Einweghandschuhen  haben in vielen Einrichtungen bereits erfolgreich geholfen, den Verbrauch von Materialien zu reduzieren. Auch Monique Moch-Lasok von den Knappschaft Kliniken hat gemeinsam mit ihrem Team verschiedene Initiativen ins Leben gerufen, die die Transformation der Einrichtung – hin zu mehr Klima- und Ressourcenschutz – vorantreiben. Darunter beispielsweise Projekte wie „Mehrweg statt Einweg“, CO2-Einsparungen im Bereich der Energieversorgung in der Betriebstechnik oder auch das Klimaquiz, das 2021 erfolgreich durchgeführt worden ist.

Nachhaltigkeit im Labor: Handlungsspielräume für Abfallbeauftragte

Gerade in medizinischen Laboren ist es besonders schwierig, Abfälle einzusparen oder den Einsatz von Verbrauchsmaterialien zu reduzieren. Das liegt vor allem an den hohen hygienischen Standards. Zudem werden viele Produkte bei bestimmten Testverfahren nicht vollständig verbraucht, wodurch vermeidbare Abfälle entstehen. Diese ließen sich durch angepasste Abläufe vergleichsweise leicht reduzieren. Auch die Logistik stellt in vielen Einrichtungen ein Problem dar: Aufgrund begrenzter Lagermöglichkeiten greifen sie häufig auf kleinere, verpackungsintensive Produkte zurück, statt größere Einheiten mit weniger Umverpackung zu wählen.

Gemeinsam mit den beiden Laborexpertinnen Hollyn Hartlep (Deutsches Krebsforschungsinstitut) und Johanna Köhnlein (HygCen Germany) haben sich die Teilnehmenden des diesjährigen Expertentreffs darüber ausgetauscht, wie Abfälle in den Laboren reduziert werden können und was konkret benötigt wird, um die Zahl an Recyclingangeboten von Labormaterialien zu erhöhen. Ein zentrales Ergebnis der Diskussionen war, dass entsprechende Angebote bereits existieren, jedoch besser zugänglich gemacht werden müssten – und das, ohne durch den Transport unnötig viele Treibhausgase zu verursachen. Vorgeschlagen wurde daher, die Aufbereitung von Materialien nicht ausschließlich an einem zentralen Standort vorzunehmen, sondern Kliniken mehrere regionale Anlaufstellen zu bieten, etwa in Süd- und Norddeutschland.

Moderne und zukunftsfähige Kreislauflösungen im Gesundheitswesen

Einwegspritzen, Infusionsschläuche oder andere Verbrauchsmaterialien – Kunststoffe finden sich in nahezu allen Bereichen der Patientenversorgung. Durchschnittlich fallen laut einer Statistik der Organisation Practice Greenhealth 400 Gramm Plastikabfall pro Patientin bzw. Patient und Tag an. Die große Menge an Kunststoffabfällen führt dazu, dass deren Wiederverwertung als Sekundärrohstoff zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Auch der Entsorger REMONDIS Medison setzt zukünftig verstärkt auf den Recyclingrohstoff und stellte im Rahmen des 6. Expertentreffs in Hamburg seine Rezyklat-Behälter als nachhaltige Alternative im medizinischen Abfallmanagement vor. Mit den Behältern, die im Vergleich zu regulären Abfallbehältern, die Klimabelastung um die Hälfte reduzieren können, sollen aktiv Ressourcen eingespart und die Kreislaufwirtschaft weiter vorangetrieben werden. Mit der von Andre Alter und Ruben Zobel (REMONDIS Medison) vorgestellten Behälterstrategie und den passenden Deklarationsetiketten möchte das Entsorgungsunternehmen Kliniken zukünftig noch gezielter dabei unterstützen, ein ressourcenschonendes und gleichzeitig sicheres Abfallmanagement umzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit nicht kontaminierten Kunststoffabfällen ist deren Entsorgung über das Duale System. Im Gesundheitswesen herrscht hierbei immer noch große Unsicherheit – auch bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Expertentreffs. Ist das Personal aber entsprechend geschult und wird so in die Lage versetzt, Abfälle effizient trennen zu können, ohne Arbeitsabläufe zu verlangsamen oder Hygienestandards zu gefährden, ist eine Nutzung des Systems problemlos möglich.

Kreislaufwirtschaft braucht interdisziplinäre Zusammenarbeit

Der 6. Expertentreff in Hamburg hat erneut deutlich gemacht: Das Gesundheitswesen ist in Bewegung. Trotz großer gesellschaftlicher und politischer Veränderungen muss die Versorgung weiterhin gesichert bleiben. Entscheidend hierbei ist die ressourcenschonende Ausrichtung – insbesondere im Abfallmanagement und der Kreislaufwirtschaft. Was kann konkret unternommen werden, damit das gelingt?

  • Kommunikation ist der Schlüssel: Um Mitarbeitende von Abfalltrennung und Ressourcenschonung zu überzeugen, müssen gute Kommunikation und Wissensvermittlung im Fokus stehen. Transparente Erklärungen, warum Abfälle getrennt werden, und eine offene Kommunikation auf Augenhöhe sind entscheidend, um alle aktiv in die Umsetzung einzubinden.
  • Schritt für Schritt: Ein ressourcenschonendes Abfallmanagement gelingt nicht von heute auf morgen. Beginnen Sie deshalb mit leicht umsetzbaren Projekten oder konzentrieren Sie sich zunächst auf einen einzelnen Abfallstrom. So können Sie langfristig Veränderungen bewirken.
  • Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit ist eine Teamaufgabe: Bilden Sie mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Einkauf, der Arbeitssicherheit, Hygiene aber auch aus der direkten Patientenversorgung und dem Labor ein interdisziplinäres Team. Entwickeln Sie gemeinsam Strategien, um Abfälle zu reduzieren oder Rohstoffe einzusparen. Je mehr Fachbereiche Sie einbeziehen, desto vielfältiger sind die Ideen!
  • Strukturen hinterfragen: Überprüfen Sie vorhandenes internes Wissen und nutzen Sie dieses, um beispielsweise Schulungen zu verbessern oder gemeinsame Begehungen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zu organisieren.
  • Geduld mitbringen: Klinikstrukturen sind langfristig gewachsen und damit auch die Arbeitsprozesse. Wenn neue Arbeitsabläufe eingeführt und umgesetzt werden sollen, ist mit einem gewissen Zeitaufwand und anfänglichen Fehlern zu rechnen. Das gehört zu Transformationsprozessen und ist ganz normal!
  • Von Best Practice profitieren: Sie haben einen Weg gefunden, bestimmte Abfälle in den Kreislauf zurückzuführen? Berichten Sie anderen davon! Kliniken können von solchen Erfolgen untereinander profitieren und bewährte Ansätze und neue Ideen für das eigene Haus übernehmen.
  • Passende Entsorgungslösungen finden: Bei Unsicherheiten zu bestimmten Abfallströmen oder auf der Suche nach neuen Recyclinglösungen lässt sich ganz klar empfehlen: Sprechen Sie auch mit dem Entsorger Ihres Vertrauens, denn Entsorgung und Kreislaufwirtschaft gehören zu deren Tagesgeschäft.
  • Nachhaltige Lösungen gemeinsam entwickeln: In enger Zusammenarbeit mit Herstellern, Entsorgern und auch der Politik haben Kliniken die Möglichkeit, umsetzbare, nachhaltige Ideen, Prozesse oder auch Produkte mitzuentwickeln. Bringen Sie sich aktiv ein!
  • Austausch in Netzwerken: Suchen Sie aktiv den Dialog mit Kolleginnen und Kollegen, sei es im Forum des Abfallmanagers Medizin, im persönlichen Telefonat oder auf Fachveranstaltungen, wie zum Beispiel auf dem 7. Expertentreff des Abfallmanagers Medizin im nächsten Jahr!

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