Warum Abfallschlüssel die ABCDE-LAGA-Gruppen ablösten Medizinische Abfälle sicher und richtig entsorgen – damals und heute

Medizinische Abfälle wurden früher nur grob in B- und C-Abfälle getrennt
Medizinische Abfälle wurden früher nur grob in B- und C-Abfälle getrennt (Foto: Eplisterra, iStock)

Medizinische Abfälle gehören zum normalen Arbeitsalltag von Kliniken und Arztpraxen. Umso erstaunlicher ist es da, dass Abfallbeauftragte oftmals im Umgang mit diesen immer noch Begriffe wie beispielsweise B-Abfall für mit Blut, Sekreten oder Exkreten behaftete Abfälle oder C-Abfall für infektiöse Abfälle verwenden. Diese Sprachpraxis ist ein Relikt vergangener Zeiten und bezieht sich auf die alten LAGA-Gruppen, die bereits 2002 durch die europaweit geltenden Abfallschlüsselnummern abgelöst wurden. Einher mit dieser Sprechgewohnheit vieler Verantwortlicher stellt manch einer sich auch nach 20 Jahren noch die Frage, warum diese Neuregelung überhaupt notwendig war. Abfallmanager Medizin nimmt die Geschichte der Abfallwirtschaft unter die Lupe und erklärt die Vorteile und Chancen des neuen Systems.

Der heutige Umgang mit Abfall hat eine relativ junge Entwicklung in der Entsorgungsgeschichte. Noch zu Zeiten des Wirtschaftswunders, in den 1960er-Jahren, herrschte gesellschaftsübergreifend die Auffassung, dass nicht mehr benötigte bzw. gebrauchte Dinge ganz einfach weggeworfen und anschließend (irgendwie) beseitigt werden. Mülltrennung und Recycling spielten dabei eine schwindend geringe Rolle. Auch die Art und Weise der Müllbeseitigung war damals noch weitgehend unreguliert, was gravierende Probleme durch Einträge giftiger Substanzen in die Umwelt mit sich brachte. Deponien waren bis dato recht willkürlich und ohne Schutzmaßnahmen an den Ortsrändern entstanden. In deutschen Großstädten wurden hingegen zwar bereits Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Verbrennungsanlagen betrieben. Doch auch diese zeigten sich mit ihren ungefilterten Abgasen als Gefahr für Mensch und Umwelt.

Beginn von Mülltrennung und Recycling in Deutschland in den 1970ern

Erst mit der Umweltbewegung Anfang der 1970er-Jahre und dem schon damals höchst beunruhigenden Bericht des Club of Rome 1972 erhielten Umwelt- und Ressourcenschutz mehr politisches Gewicht. So wurde 1972 etwa das Abfallbeseitigungsgesetz erlassen, das erstmalig (wenn auch nur geringfügige) Mindeststandards an die Entsorgung auf Deponien und in Verbrennungsanlagen einführte. 1974 wurden in Hannover zudem erste Altglas-Container, zehn Jahre später Altpapier-Container eingeführt. Der Weg von Mülltrennung und Recycling in Deutschland war geebnet.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz von 1994 als Meilenstein

Die Abfallwirtschaft, wie wir sie heute kennen, entstand erst allmählich zu Beginn der 1990er-Jahre im Zuge neuer Bestrebungen, die insbesondere gewaltigen Mengen an Verpackungsabfall zu bewältigen, die damals etwa ein Drittel der Masse der Siedlungsabfälle ausmachten. Eine wichtige Rolle spielte dabei zunächst die 1991 erlassene Verpackungsverordnung, die nun Hersteller, Abfüller und Betreiber verpackter Güter zur Rücknahme der Verpackungen verpflichtete. Parallel dazu bzw. noch vor Inkrafttreten der Verordnung wurde zu deren Umsetzung das Duale System Deutschland (Grüner Punkt) zur Erfassung und Verwertung von Verkaufsverpackungen geschaffen. Hieraus resultierte sowohl ein deutlicher Rückgang im Verpackungsverbrauch als auch sehr hohe Verwertungsquoten von Altverpackungen.

Den bedeutendsten Meilenstein stellte jedoch das 1994 erlassene Kreislaufwirtschaftsgesetz dar, das 1996 in Kraft trat und mittlerweile mehrfach novelliert wurde. Oberstes Ziel des Gesetzes war und ist bis heute die Vermeidung von Abfall. Erreicht wird dies in erster Linie dadurch, dass die abfallrechtliche Produktverantwortung auch noch nach der Nutzung der Produkte – also über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg – bei den Herstellern und Vertreibern liegt. Letztere erhalten dadurch einen starken Anreiz, ihre Produkte möglichst wiederverwendbar bzw. -verwertbar zu gestalten.

Abfallschlüssel statt ABCDE-Abfallkategorien

Eine Notwendigkeit für die Abfallvermeidung durch Recycling und Wiederverwertung ist eine korrekte Trennung der verschiedenen Abfallfraktionen. Diese erfolgte im medizinischen Bereich bis 2002 noch entsprechend den fünf ABCDE-Abfallkategorien der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA). Dann trat die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) als Umsetzung des Europäischen Abfallartenkatalogs in Kraft, mit der die fünf Gruppen durch europaweit einheitliche sechsstellige Abfallschlüssel ersetzt wurden. Dies bringt bis heute im Wesentlichen zwei entscheidende Vorteile mit sich:

Der erste Vorteil besteht darin, dass in der gesamten EU dieselben Abfallschlüssel mit den jeweiligen Anforderungen an Lagerung, Annahme/Übernahme, Transport und Entsorgung gelten. Somit sind theoretisch alle Beteiligten wie etwa Abfall- und Gefahrgutbeauftragte sowie andere relevante Parteien wie Polizei und Feuerwehr überall im europäischen Binnenmarkt stets in der Lage, die Eigenschaften (und insbesondere die Gefährlichkeit) von Abfällen sofort zu erfassen und sachgerecht mit ihnen umzugehen.

Der zweite Vorteil liegt in einer sehr viel differenzierteren Kategorisierung und somit Trennung medizinischer Abfälle, die letztendlich zu einer effizienteren Verwertung der darin enthaltenen Ressourcen oder einer sachgerechteren Entsorgung führt. So wurden etwa unter A-Abfall (hausmüllähnlicher Abfall) früher so unterschiedliche Dinge wie Küchenabfälle und Glas sozusagen „in einen Container“ geworfen. Stattdessen sind die alten Angehörigen dieser Kategorie allein nun in neun verschiedene Abfallkategorien unterteilt, die jeweils getrennt zu sammeln und unterschiedlich zu verwerten sind. Die einstigen D-Abfälle (umweltgefährdender Abfall) beispielsweise untergliedern sich heute wiederum in ebenfalls neun Abfallgruppen, die teils gefährlich, teils ungefährlich sind, was mitunter entscheidend für eine thermische Behandlung (Verbrennung) als Hausmüll (HMV) oder Sonderabfall (SAV) ist.

Vollzugshilfe für Abfälle im medizinischen Bereich mit LAGA 18

Die Spezifizierung durch die AVV dient also dem Ziel der Abfallvermeidung bzw. der Kreislaufwirtschaft eindeutig besser als die alte Einteilung. Allerdings stellt sie auch höhere Anforderungen an den Umgang mit Abfällen in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Damit Klinikangestellte und vor allem Abfallbeauftragte den Überblick behalten, welcher Abfall zu welcher Kategorie gehört und wie mit ihm zu verfahren ist, gibt es die LAGA-Mitteilung 18. Diese Vollzugshilfe der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall wird kontinuierlich an das aktuelle Abfallrecht angepasst (zuletzt 2021) und enthält grundlegende Informationen zu sämtlichen relevanten Abfallfraktionen, die im medizinischen Bereich anfallen.

AVV-Gruppe 18 fassen medizinische Abfälle

Besonderes Augenmerk liegt auf den „eigentlichen“ medizinischen Abfällen. Deren Abfallschlüsselnummer beginnt, wie die Mitteilung endet, nämlich immer mit einer 18. Insgesamt werden 16 verschiedene Abfallschlüssel der AVV-Gruppe 18 in der LAGA-Mitteilung 18 aufgeführt. Dabei wird grundsätzlich zwischen humanmedizinischen (Untergruppe 1801) und veterinärmedizinischen (Untergruppe 1802) Abfällen unterschieden. Im Vordergrund steht der Umgang mit ersteren, während bei den tiermedizinischen Abfallschlüsseln vorrangig auf das humanmedizinische Pendant verwiesen wird.

Gesonderte Entsorgungsvorschriften für gefährliche Abfälle

Von besonderer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen. Erstere werden durch einen Asterisk (*) hinter der Abfallschlüsselnummer hervorgehoben. Im humanmedizinischen Bereich fallen darunter infektiöse Abfälle (180103*), Chemikalien, die aus gefährlichen Stoffen bestehen oder solche enthalten (180106*), zytotoxische und zytostatische Arzneimittel (180108*) sowie Amalgamabfälle aus der Zahnmedizin (180110*). Um noch einmal den Unterschied zwischen alter und neuer Einteilung hervorzuheben: Zytotoxika und Zytostatika, die genannten Chemikalien und Amalgamabfälle wurden früher allesamt als D-Abfall deklariert und behandelt. Durch die aktuelle Trennung endet ihr Lebenszyklus hingegen völlig unterschiedlich, denn während die gefährlichen Arzneimittel und Chemikalien als Sonderabfall verbrannt werden müssen, wird Amalgam stofflich verwertet.

Größter Teil in der Medizin sind nicht gefährliche Abfälle

Insgesamt machen gefährliche Abfälle jedoch nur höchstens fünf Prozent (ca. fünf Tonnen pro Jahr) des Abfallaufkommens in Krankenhäusern aus. Der überwiegende Abfall hingegen fällt unter die Abfallschlüsselnummer 180104. Dabei handelt es sich um „Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden“, wie etwa mit (nicht infektiösem) Blut, Sekret oder Exkret behaftete Verbände, Atemschutzmasken, Einwegkleidung, Wäsche oder Windeln. Übliche, als nicht gefährlich eingestufte Krankenhaus- und Praxisabfälle, die wie zuvor erwähnt ebenfalls früher unter die Kategorie B-Abfall fielen, sind außerdem spitze und scharfe Gegenstände (AS 180101) – auch Sharps genannt. Bei beiden Beispielen führt mitunter die unterschiedliche Sammlung (bei Sharps erfolgt diese z. B. in durchstichsicheren Abwurfbehältern) erneut vor Augen, wie wichtig die Unterscheidung der Abfälle ist.

Weitere wichtige Abfallschlüssel im humanmedizinischen Bereich sind 180102 (Körperteile und Organe, einschließlich Blutbeutel und Blutkonserven – ehemals E-Abfall bzw. ethischer Abfall), 180107 (ungefährliche Chemikalien – früher D-Abfall) sowie AS 180109 (Arzneimittel – ebenfalls D-Abfall).

Klimaneutrale und ressourcenschonende Krankenhäuser

Die Zukunft der Abfallentsorgung steht ganz im Zeichen einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft. Um das erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, hat die EU 2020 einen neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft vorgelegt, der genau das vorsieht. Das Hauptaugenmerk liegt dabei neben nachhaltigen Produkten und einer Stärkung der Verbraucherposition auf bestimmten Schlüsselbereichen wie Elektronik und IKT, Verpackungen, Bauwesen und Gebäude oder auch Lebensmittel. Einige davon werden auch Krankenhäuser betreffen. Erste Einrichtungen leisten hier bereits wertvolle und durchaus beeindruckende Pionierarbeit. Besonders hervorzuheben ist etwa das inzwischen abgeschlossene Projekt „KLIK green – Krankenhaus trifft Klimaschutz“, in dessen Rahmen die beteiligten Kliniken allein 146 Aktivitäten im Bereich Abfall- und Ressourcenmanagement umsetzen konnten. Eine wesentliche Grundlage dafür ist die rigorose differenzierte, spezifische Abfallerfassung und -trennung, wie sie das aktuelle Abfallrecht bereits vorsieht.

Quellen

Medizinische Abfälle wurden früher nur grob in B- und C-Abfälle getrennt
Medizinische Abfälle wurden früher nur grob in B- und C-Abfälle getrennt (Foto: Eplisterra, iStock)