Kleinmengen versus große Tonne Abfälle in Arztpraxen optimal sammeln und entsorgen

Kanülen, Blutbeutel, Wundverbände – in Arztpraxen fallen täglich unterschiedlichste Abfälle an (Foto: Elena Cherkasova, AdobeStock)
Kanülen, Blutbeutel, Wundverbände – in Arztpraxen fallen täglich unterschiedlichste Abfälle an (Foto: Elena Cherkasova, AdobeStock)

Medizinische Abfälle fallen nicht nur im großen Stil in Krankenhäusern an. Auch in Spezialpraxen, medizinischen Versorgungszentren sowie Haus- und Zahnarztpraxen gibt es verschiedene Abfallarten. Lohnt es sich, diese zu trennen? Oder sollten die nicht gefährlichen Abfälle über die normale Hausmülltonne als 180104 entsorgt werden? Wir werfen einen Blick auf die Kosten und das Thema Nachhaltigkeit bei der Abfallentsorgung in Arztpraxen.

Für medizinische Einrichtungen sind besondere Entsorgungsvorschriften zu beachten, die je nach Art der Praxis mehr oder weniger zutreffen. Zu den wichtigsten Aufgaben einer jeden Praxisleitung gehört der Infektionsschutz, welcher im Infektionsschutzgesetz geregelt ist.

Maßnahmen innerhalb der Arztpraxen sind demnach:

  • die Erstellung eines praxisinternen Hygieneplans (darunter fällt auch die Entsorgung)
  • Meldung von Krankheiten sowie infektionsrelevanten Tatbeständen und Krankheitserregern
  • Erstellung von Statistiken zu aufgetretenen nosokomialen Infektionen oder Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen
  • Registrierung des Antibiotikaverbrauchs nach Art und Umfang
  • Einstellung und Weiterbildung von Fachpersonal (u. a. Hygienefachkraft, hygienebeauftragter Arzt)

Laut §22 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) ist der Abfallerzeuger bis zur endgültigen Entsorgung seiner Abfälle verantwortlich und muss die Zuverlässigkeit des zur Entsorgung beauftragten Unternehmens prüfen. Das ist für Praxen kaum umsetzbar. Hier sollte die Praxisleitung das Entsorgungsfachbetriebezertifikat anfordern, welches jedes Jahr neu ausgestellt wird. Darüber hinaus ist der Abfallerzeuger für die ordnungsgemäße Deklaration der Abfälle verantwortlich.

Abfallarten unter einem Abfallschlüssel gefasst

Kanülen, Blutbeutel, Wundverbände – in Arztpraxen fallen täglich unterschiedlichste Abfälle an. Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) klassifiziert in ihrer „Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes“ alle Abfallarten nach deren Gefährlichkeit. Entsprechend dieser Einstufung ist in den Arztpraxen auch die Sammlung, Lagerung und Entsorgung zu organisieren. Am häufigsten kommen dabei Abfälle der Abfallschlüsselnummer 180104 vor. Zu dieser gehören Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Hierbei handelt es sich meist um mit Blut, Sekreten oder Exkreten behaftete Abfälle wie Verbände, Windeln, Atemschutzmasken, Aufwischtücher oder Einwegwäsche, die sich nicht zur stofflichen Verwertung eignen und daher als Siedlungsabfälle in den Hausmüllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Kommunale Entsorger übernehmen die Abholung, den Transport und die Vernichtung.

Kosten für Restabfall in einigen Kommunen sehr hoch

Die Kosten für die Siedlungsabfälle sind dabei recht unterschiedlich und vom Standort der Praxis abhängig. Zwischen 70 und 500 Euro kann der Jahrespreis für die Leerung einer Hausmülltonne betragen. Zahlt eine Praxis bspw. in Gelsenkirchen für eine 240 Liter-Restmülltonne 325 Euro, kostet diese in Erfurt mehr als 1.100 Euro. Somit kann sich die bessere Organisation des Abfalls finanziell durchaus lohnen, da der Umstieg auf eine kleinere Tonne von 120 Litern in diesem Beispiel für eine Ersparnis von 520 Euro führt.

Eine Reduzierung des Restmülls ist auch im Hinblick auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und den damit verbundenen hohen Abfallmengen pro Patient wünschenswert. Abfallvermeidung und Abfallverwertung sollten sich in den Grundsätzen jeder Praxis wiederfinden – wie beispielsweise die Nutzung von waschbaren oder Mehrweg-Produkten. Für die nicht gefährlichen und hausmüllähnlichen Abfälle stehen die aus dem Bereich der Siedlungs- und Gewerbeabfälle bekannten Recycling- und Verwertungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Abfall-Analyse lohnt sich

Um die Abfälle zu reduzieren oder umzusortieren muss zu allererst eine Bestandsaufnahme erfolgen:

  • Welche Abfallarten fallen an?
  • Wie werden diese regelkonform entsorgt?
  • Gibt es Sicherheitsbedenken seitens Anwohnern oder der Hausverwaltung?
  • Sind preiswerte Alternativen zur jetzigen Entsorgung möglich?
  • Könnten bestimmte Abfallarten gänzlich vermieden werden?

Welche Abfälle entstehen in Arztpraxen am häufigsten? Während eine Hausarztpraxis auf diese Frage Wundversorgungsartikel nennt, landen in der Zahnarztpraxis Spritzen, Kanülen und Kittel besonders oft im Müll. Ein Lungenfacharzt entsorgt entsprechend seines medizinischen Schwerpunktes wiederum häufig Sauerstoff- und Beatmungszubehör. Jede Praxis steht somit vor einer individuellen Herausforderung, wenn nach Lösungen für die Abfallproblematik in der Einrichtung gesucht wird.

Zu Beginn sollte der Fokus auf der richtigen Mülltrennung und der Schulung des Personals liegen, um Fehlwürfe zu minimieren. Weiterhin sollten Listen bzw. eine Entsorgungsmatrix erstellt und entsprechende Behälter zur Verfügung gestellt werden. Ggf. bietet sich die Beratung durch einen externen Abfallbeauftragten bzw. einen zertifizierten Entsorger an, der bei der konsequenten Mülltrennung mit Rat und Tat zur Seite steht.

Sicherheit des Personals und der Anwohner in Kliniken

Welcher Gesichtspunkt nicht außer Acht gelassen werden darf: Von Abfällen in Arztpraxen gehen potentiell Gefahren aus. Neben abfallrechtlichen Pflichten sind auch die Aspekte des Gesundheitsschutzes zu beachten. Sollten Abfälle innerhalb der Praxis zwischengelagert werden, müssen die entsprechenden Räume sicher sein, so dass keine Gefahr durch die medizinischen Abfälle oder die Lagerung selbst entsteht. Bei Transporten innerhalb der Praxis muss sichergestellt sein, dass keine Abfälle austreten.

Spritzen sind ein doppelt riskantes Entsorgungsgut: Zum einen kann sich das Personal leicht verletzen, zum anderen sind die meist enthaltenen Restspuren von Medikamenten potentiell schädlich für Mensch und Umwelt. Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, den Schutz vor Verletzungen durch diese Instrumente sicherzustellen. Der sicherste Weg, nicht mehr benötigte Spritzen zu entsorgen, ist eine verschließbare Entsorgungsbox. Diese stich- und bruchfesten Abwurfbehälter gibt es in verschiedenen Größen. Die Entsorgung von verschlossenen Spritzenbehältern in den Restabfall ist grundsätzlich möglich. Da viele Praxen, Apotheken und medizinische Einrichtungen in Mehrfamilienhäusern ansässig und Abfalltonnen frei oder zumindest für andere Hausbewohner zugänglich sind, erscheint diese Vorgehensweise problematisch.

Die gleiche Problematik findet sich bei der Entsorgung von Altarzneimitteln. Auch diese zählen zu den Siedlungsabfällen und dürfen als solche über den normalen Hausmüll entsorgt werden. Doch ähnlich wie bei Spritzen und anderen, scharfen und spitzen Gegenständen stellt sich die Frage, ob diese vor unbefugtem Zugriff sicher sind und Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Laut der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) müssen Altmedikamente zugriffssicher gesammelt und eine missbräuchliche Verwendung ausgeschlossen werden. Abfalltonnen sollten nicht frei zugänglich oder abschließbar sein aus Schutz vor unbefugten Zugriffen, der z. B. bei gemeinschaftlicher Nutzung der Hausmülltonne nicht gewährleistet werden kann.

Zudem werden in immer mehr Kommunen bzw. Städten Spritzen- oder Medikamentenabfälle aus Gesundheitseinrichtungen von der Entsorgung über die Hausmülltonne ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass der Hausmüll zunehmend sortiert wird, bevor er verbrannt bzw. deponiert wird. Und in einer Sortieranlage hat dieser Abfall aus Gründen der Arbeitssicherheit und der Infektionsprävention nichts zu suchen.

Verletzungsgefahr durch unrechtmäßige Entsorgung

Durch unsachgemäß entsorgte Spritzen kommt es häufig zu Unfällen – sowohl beim medizinischen Personal als auch bei den Müllwerkern, die sich beim Durchstechen eines Müllsackes verletzen können. In der Arztpraxis steht bei Stichverletzungen meist eine fehlerhafte Entsorgung der benutzten Nadeln im Fokus. Laut BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) werden „ … die Instrumente nicht unmittelbar nach Gebrauch entsorgt oder es wird kein geeigneter Abfallbehälter genutzt oder dieser ist überfüllt.“.

Auch der Anblick einer gemeinschaftlichen Restmülltonne, die von Ärzten mit verwendet wird, kann irritierend sein. Wie der Münchener Merkur berichtet, sind Anwohner von medizinischen Abfällen in den Tonnen genervt. Teilweise würden sich demnach Vögel an den Abfällen zu schaffen machen, was zu Schläuchen und blutigen Abfällen auf dem Gehweg führe. Um der Konfrontation mit den Hausbewohnern und Nachbarn aus dem Weg zu gehen, gibt es Kommunen, die sogenannte „Arzttonnen“ anbieten. Diese kann vom Arzt selbst oder dem Hauseigentümer bestellt werden und ist verschließbar.

Prüfung ordnungsgemäßer Entsorgung durch Gewerbeaufsicht möglich

Gesetzlich ist jede Arztpraxis zur ordnungsgemäßen Beseitigung der medizinischen Abfälle gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz verpflichtet. Hinzu kommt die Dokumentationspflicht für die gefährlichen Abfälle. Die Papiere über die Entsorgung müssen mindestens drei Jahre lang aufgehoben werden. Nach der Nachweisverordnung gelten Praxen als sogenannte Kleinmengenerzeuger (weniger als 2 Tonnen Abfall pro Jahr) und sind damit von den elektronischen Nachweispflichten als Abfallerzeuger freigestellt.

In der Vergangenheit kam es zu Überprüfungen von u. a. Arztpraxen in Bayern seitens der Gewerbeaufsicht hinsichtlich gefahrgutrechtlicher Anforderungen. Insbesondere Verpackung und Kennzeichnung begutachteten die Experten genauer. Im Ergebnis zeigte sich, dass größere Krankenhäuser und Universitätskliniken die Gefahrgutvorschriften gut umsetzen. Dennoch traten über die medizinischen Einrichtungen verteilt Mängel beim Versand von Proben und bei der Beschriftung von Abfällen auf. Darüber hinaus wurde in einigen Fällen angeraten, den Schulungsstand des Personals weiter zu verbessern.

Dieses Beispiel zeigt, dass auch Arztpraxen ihre Verantwortung für eine konsequente Mülltrennung übernehmen müssen. Eine gute Organisation kann zudem den Abfall und die Gebühren merklich reduzieren und leistet zudem einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.

Quellen

Kanülen, Blutbeutel, Wundverbände – in Arztpraxen fallen täglich unterschiedlichste Abfälle an (Foto: Elena Cherkasova, AdobeStock)
Kanülen, Blutbeutel, Wundverbände – in Arztpraxen fallen täglich unterschiedlichste Abfälle an (Foto: Elena Cherkasova, AdobeStock)